Einheitliche Grundsätze Beitragsbemessung sind rechtswidrig

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Rossi
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Beitragvon Rossi » 22.05.2011, 16:27

Na ja Vergil, jetzt schmeißt Du ein Rundschreiben aus 2008 in den Ring. Die Rechtsprechnung ergibt sich erst ab 2009.

Noch einmal.

Es könnnen - die hat die Rechtsprechung schon längst von A - Z durchgekaut - bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.

Dies setzt aber voraus, dass diese Einnahmen in der Satzung explizit genannt sind.

Und genau daran scheitert es. Es gibt derzeit keine allgemein gültige Satzung. Also können diese Einnahmen eben nicht berücksichtigt werden.

Dies waren doch bis zum 31.12.2008 die gravierenden Unterschiede bei der Beitragsbemessung. Die eine Kasse hatte bestimmte Einnahmen in der Satzung geregelt, die andere Kasse hingegen nicht. Bei der einen Kasse musste man weniger löhnen (keine explizite Satzungsregelung), bei der anderen Kasse mehr (explizite Satzungsregelung)

Und nun haben wir gar keine Satzung.

Na ja, ist ja nur meine bescheidene Auffassung, mehr nicht!

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Beitragvon Rossi » 22.05.2011, 16:37

Nun denn,

Man könnte jetzt zwar den Kassen empfehlen die Empfehlungen des Spibu als Grundlagen in die Satzung aufzunehmen, sollte denn aber wiederum v. BVA genehmigt werden.


auch jenes haut nicht hin.

Der Spibu muss es halt eben ganz offiziel machen. Wenn die Kassen selber etwas in der Satzung regeln, dürfte diese nicht gelten. Denn es wiederläuft klipp und klar dem gesetzgeberischen Auftrag im Sinne von § 240 Abs. 1 SGB V. Hiernach muss der Spibu dies offiziel regeln. Alles andere passt nicht, zumindest nach meiner bescheidenen Auffassung.

Czauderna
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Beitragvon Czauderna » 22.05.2011, 17:58

Hallo,
nun bin ich kein Jurist sondern Praktiker und magels anderer Möglichkeiten bediene ich mich in der Praxis eben dieses gemeinsamen Verfahrens. Wenn ich dich, Rossi, dann richtig verstanden habe, genügt es, dass die beteiligten Kasse die einheitlichen Verfahrensgrundsätze einfach in Ihre Satzung übernehmen und damit wäre die Kuh vom Eis ??
Dass das BVA. da mit der Genehmigung keine Probleme hätte kann ich mir auch denken, warum auch, sagt die Urteilsbegründung des SG. Hessen doch nur aus, dass es dem Spitzenverband an der gesetzliche Legitimation fehle.
Was ich auch noch seltsam finde - dass bisher sich offenbar keine der beteiligten Kasse aufgrund dieses Urteils "neu orientiert" hat was die Einnahmenanrechnung als solches Angeht - schliesslich ist das Urteil doch schon aus dem Oktober letzten Jahres ??.
Na ja, ich werde ab morgen mal wieder meine Fühler im Unternehmen ausstrecken, ob esd azu schon etwas neues gibt.
Gruss
Czauderna

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Beitragvon Vergil09owl » 22.05.2011, 17:59

Oh oh, wenn das ma so schnell geht, ich stelle mir nur gerade vor deinen Beitrag hier lesen jetzt ein paar tausend freiwillig Versicherte die jetzt gerade neue Beitragsbescheide bekommen haben oder einreichen sollen....mir wird gerade ganz plümerant.

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Beitragvon Rossi » 22.05.2011, 18:14

Na ja

dass die beteiligten Kasse die einheitlichen Verfahrensgrundsätze einfach in Ihre Satzung übernehmen und damit wäre die Kuh vom Eis ??


Dazu ist ja gerade die Kasse selber überhaupt nicht befugt. Bis zum 31.12.2008 war sie selber befugt.

Wo steht denn in § 240 Abs. 1 SGB V, dass die Kasse es selber in der Satzung zu regeln hat. Steht doch dort gerade nicht. Nur der Spibu kann es regeln, sonst keiner.

Allerdings muss der Spibu für dieses formale Verfahren gewisse Dinge beachten. Und genau daran scheitert es offensichtlich derzeit.

Auf der anderen Seite muss man natürlich festhalten, dass dies derzeit nur Einzelfallentscheidungen sind. Wie nachher die Entscheidung des BSG aussieht, die dann grundsätzlich zu beachten ist, kann uns hier keiner beantworten.


Je mehr die Problematik öffentlich wird, destso mehr Widersprüche werden vermutlich mit Sicherheit in der Praxis kommen.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 22.05.2011, 23:44

Na ja, folgt man dem LSG Hessen, dann muss der gesamte Spitzbubenverband insgesamt neu geregelt werden.

Zitat LSG Hessen:

Die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" stellen eine bloße Interpretation des von § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V gesetzten Rahmens dar, wonach mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, soweit entsprechende gesetzliche Beitragsbemessungstatbestände in den §§ 226 bis 239 SGB V vorhanden sind.

Insbesondere wegen einer fehlenden hinreichenden demokratischen Legitimation des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes und der fehlenden Rechtssatzform sind die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" allerdings nicht geeignet, die Generalklausel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abweichend vom gesetzlichen Leitbild der §§ 226ff. SGB V mit eigenständigen Beitragsbemessungstatbeständen im Sinne von untergesetzlichen Rechtsnormen mit belastender Außenwirkung auszufüllen.


Anders als nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Recht fehlt mithin eine verfassungskonform eingeräumte Befugnis eines Selbstverwaltungsorgans, durch generell-abstrakte untergesetzliche Rechtssätze eigenständig Tatbestände der Beitragsbemessung von § 240 SGB V im gesetzten Rahmen zu normieren.



Ehrlich gesagt, findet der rossi dies alles mehr als niedlich.

Scheint wohl so eine Art der Kompetenzüberschreitung zu sein.

Übersetzt:
Man kann nicht allgemein gültig etwas regeln, wenn man hierzu nicht befugt ist oder hierbei einen Formfehler begeht. Dort geht dann der Schuss völlig nach hinten los.

Gretchenfrage ist und bleibt natürlich, kann der Spibu diesen Formfehler rückwirkend heilen?

Czauderna
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Beitragvon Czauderna » 23.05.2011, 11:18

Rossi hat geschrieben:Na ja, folgt man dem LSG Hessen, dann muss der gesamte Spitzbubenverband insgesamt neu geregelt werden.

Zitat LSG Hessen:

Die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" stellen eine bloße Interpretation des von § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V gesetzten Rahmens dar, wonach mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, soweit entsprechende gesetzliche Beitragsbemessungstatbestände in den §§ 226 bis 239 SGB V vorhanden sind.

Insbesondere wegen einer fehlenden hinreichenden demokratischen Legitimation des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes und der fehlenden Rechtssatzform sind die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" allerdings nicht geeignet, die Generalklausel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abweichend vom gesetzlichen Leitbild der §§ 226ff. SGB V mit eigenständigen Beitragsbemessungstatbeständen im Sinne von untergesetzlichen Rechtsnormen mit belastender Außenwirkung auszufüllen.


Anders als nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Recht fehlt mithin eine verfassungskonform eingeräumte Befugnis eines Selbstverwaltungsorgans, durch generell-abstrakte untergesetzliche Rechtssätze eigenständig Tatbestände der Beitragsbemessung von § 240 SGB V im gesetzten Rahmen zu normieren.



Ehrlich gesagt, findet der rossi dies alles mehr als niedlich.

Scheint wohl so eine Art der Kompetenzüberschreitung zu sein.

Übersetzt:
Man kann nicht allgemein gültig etwas regeln, wenn man hierzu nicht befugt ist oder hierbei einen Formfehler begeht. Dort geht dann der Schuss völlig nach hinten los.

Gretchenfrage ist und bleibt natürlich, kann der Spibu diesen Formfehler rückwirkend heilen?



Hallo,
ist nicht die Gretchenfrage ob das Bundessozialgericht der Auffassung des Sozialgerichtes Hessen folgen wird bzw. , welche konkreten Folgen hat denn dieses Auffassung des SG. Hessen für die Praxis ??
Wenn es demnach nur um die Formaljurie geht und nicht um den Inhalt ??
Gruss
Czauderna

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Beitragvon Rossi » 23.05.2011, 18:05

Na ja, jenes kann Dir hier keine beantworten, ob das BSG es auch so sieht.

Aber wenn ich mir die Rechtsprechung so unter die Lupe nehmen, dann fahren die Richter total auf die Formalien ab.

Und ehrlich gesagt, ist es ja nun nicht die erste sozialgerichtliche Entscheidung, die in diese Richtung geht.

Und wenn ich mir die Begründung des LSG reinpfeiffe, dann halte ich fest, die Richter haben sich ganz schön Arbeit gemacht. Der Hausmeister des LSG hat dies nicht erfunden.

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Beitragvon jessy » 25.05.2011, 16:37

Hallo zusammen,

meine Kasse versucht z.Zt. auf der Basis der Beitragsverfahrensgrundsätze einen neuen Beitrag festzusetzen, der mehr als das Doppelte des bisherigen ausmacht. Eingehende Hinweise meinerseits auf die Unwirksamkeit der angeblichen Rechtsgrundlage scheinen nicht zu interessieren. Man bringt nicht einmal irgendein Argument, weshalb die bisherigen Entscheidungen vielleicht nicht richtig sein könnten.

Eine "mit dem Kopf durch die Wand" - Methode, bei der der eklatante Fehler des Verbandes, nicht die erforderliche Satzung zu erlassen, offenbar auf dem Rücken der Mitglieder ausgetragen werden soll, anstatt erst einmal den Verband dazu aufzufordern, eine gültige Rechtsgrundlage zu schaffen.

Solches Handeln zeugt bei der m.E. eindeutigen Rechtslage von Willkür, Inobjektivität und einem seltsamen rechtstaatlichen Verständnis. Es ist bereits ein eherner Verfassungsgrundsatz, dass belastende Maßnahmen nur auf der Grundlage eines Gesetzes im materiellen Sinne (Gesetz, Verordnung, Satzung) erfolgen können.

Ich werde mich wohl auch in ein - m.E. unnötiges - sozialgerichtliches Verfahren drängen lassen müssen.

Hier wurde die Frage nach der Rückwirkung angesprochen. Es würde ja alles nichts bringen, wenn denn der Verband irgendwann eine Satzung rückwirkend erlassen würde.

Die Rückwirkung gesetzlicher Bestimmungen, also auch von Satzungen, ist nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig. So z.B. eine sogenannte unechte Rückwirkung, solange der Anspruch auf eine Zahlung noch nicht komplett entstanden ist. Dies dürfte für KV-Beiträge bedeuten, dass eine Rückwirkung auf den 1. des Monats zulässig wäre, in dem die beschlossen Satzung bekannt gemacht wird.

Als zulässig wird im Allgemeinen auch erachtet, wenn eine rechtswidrige Satzung durch eine rechtmäßige rückwirkend ersetzt wird. Dieser Sachvehalt liegt hier aber nicht vor, da es noch keine Satzung, auch keine rechtswidrige, gibt-

Interessant ist das Urteil des SG München insoweit noch, als es sogar die Ermächtigung für den Verband in § 240 SGB V für verfassungswidrig hält. Wenn sich diese Auffassung durchsetzen sollte, müssten die Beitragsgrundsätze direkt im SGB V geregelt werden. Dies wäre vielleicht eine Chance für freiwillige Mitglieder, im Vergleich zu Pflichtmitgliedern gerechter behandelt zu werden.

Gruß
Jessy
Zuletzt geändert von jessy am 25.05.2011, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Vergil09owl » 25.05.2011, 18:46

Wenn ichnich nicht ganz irre ist das Verfahren eh auf dem WEG zum BSG, es gab da auch ein nettes Schreiben v. Spitzenverbandbund, ich würde doch denn mal die Kasse auf das noch laufende Verfahren aufmerksam machen, ggf kann es da denn auch zu einer spätern Beurteilung deines zugrunde liegenden Einkommens kommen.

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Beitragvon jessy » 25.05.2011, 18:56

Hallo Vergil09owl,

genau das habe ich gemacht, und zwar in eindringlichster Form. Scheint aber bei der Kasse nicht zu interessieren.

Bis die Sache beim BSG angekommen ist, kann es noch eine Weile dauern. Das Münchner Verfahren liegt seit mehr als einem Jahr beim Bayer. LSG. Im hessischen Verfahren ist in der ersten Instanz noch nicht die Entscheidung in der Hauptsache gefallen. Das Hess. LSG hatte sich lediglich mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu befassen, und dies geschieht in einem sogenannten "summarischen Verfahren".

Gruß
Jessy

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Beitragvon Vergil09owl » 25.05.2011, 19:18

Hm , irgendwie scheint da doch ein gewisses Vorhalten von Rechstauffassungen zu herrschen.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 25.05.2011, 20:50

Wie, wo gibt es unteschiedliche Auffassungen?

Die bisherige Rechtsprechung ist doch ziemlich überzeugend und haut es dem Spibu um die Ohren.

Und gerade die Entscheidung des LSG Hessen - auch wenn es um die Aussetzunge der sofortigen Vollziehung geht - liest sich doch sehr klasse.

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Beitragvon Vergil09owl » 25.05.2011, 20:57

Mag sein der Spibu wartet auf das BSG und die Kassen damit auch.

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Beitragvon Rossi » 25.05.2011, 21:12

Jooh, vermutlich in der Hoffnung, dass man der Kassenansicht folgt!!!

Für mich liest sicht die Entscheidung des LSG Hessen sehr super. Sie ist ausführlich und überzeugend.

Na ja, dass die Kasse bei Dir - jessy - nicht reagiert, ist völlig normal. Sie versteckt sich hinterm Spibu, was auch nachvollziehbar ist.

Da würde dann nur noch ein Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung etwas bringen.

Mich würde noch interessieren, wie Du auf diese Problematik gestossen bist? Hier durch das Forum, oder durch eine andere Art?


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