Rückwirkende Beitragszahlung?

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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woody66
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Rückwirkende Beitragszahlung?

Beitragvon woody66 » 30.03.2010, 15:41

Ich habe einen etwas kuriosen Fall:

Eine Krankenkasse vertritt die Auffassung, dass jemand durch den Wegfall der Hinterbliebenenrente nicht mehr versicherungspflichtig ist. Das ist für sich gesehen nicht kurios. Diese Rechtsauffassung findet sich ja in § 190 XI Nr. 1 SGB V.

Das Kuriose an diesem Fall ist, dass der Krankenkasse das Ende der Versicherungspflicht erst Jahre später aufgefallen ist. Wie viele Jahre lasse ich an dieser Stelle offen (es sind deutlich mehr als vier Jahre).

Die Krankenkasse bietet an, vom Zeitpunkt des Wegfalls der Versicherungspflicht das bisherige Mitglied freiwillig zu versichern. Allerdings sollen dann auch die Beiträge rückwirkend für den gesamten Zeitraum nachgezahlt werden. Eine Versicherungspflicht nach § 5 I Nr. 13 SGB V besteht nicht, da § 5 VIIIa S. 2 SGB V greift.

Wie ich vielen Urteilen entnehmen konnte, endet die Mitgliedschaft in der GKV in den Fällen des § 190 XI Nr. 1 SGB V per Gesetz. Eines Verwaltungsaktes bedarf es dazu nicht. Wenn also tatsächlich vor Urzeiten das Versicherungsverhältnis endete und nun die Krankenkasse anbietet, das Versicherungsverhältnis rückwirkend als freiwillige Versicherung fortzuführen, gehe ich davon aus, dass die Krankenkasse sich rechtlich dazu verpflichtet fühlt. Aus anderen Beiträgen in diesem Forum konnte ich entnehmen, dass eine Krankenkasse sich an die Gesetze halten muss. Würden sie keine Verpflichtung dieser Art sehen, würden sie sich auch dagegen sträuben, dieses "ehemalige Mitglied" auf diese Weise weiter an sich zu binden. :wink:

Mein erste Frage dazu: Kann die Krankenversicherung für den gesamten Zeitraum die Beiträge rückwirkend fordern oder greift hier die Verjährungsfrist des § 25 I S. 1 SGB IV? Die Voraussetzungen des § 25 I S. 2 SGB IV liegen nicht vor.

Die Krankenkasse will die Beendigung der Mitgliedschaft nachholen. Wie bereits oben vermerkt, gehe ich davon aus, dass die Mitgliedschaft Kraft Gesetzes erloschen ist. Wie kann es dann sein, dass die Krankenkasse jetzt ein Anhörungsschreiben nach § 24 SGB X zugesandt hat. Eines Verwaltungsaktes bedarf es doch gar nicht. Oder ist die Rechtslage doch ganz anders?

Die Sache ganz kompliziert macht die Tatsache, dass von einer beamtenrechtlichen Waisenversorgung aktuell Beiträge an die Kranken- und Pflegekasse abgeführt werden. Selbst wenn vor Urzeiten mit dem Wegfall der Halbwaisenrente die Versicherungspflicht weggefallen sein sollte, besteht dann nicht schon Krankenversicherungsschutz aufgrund einer freiwilligen Mitgliedschaft im Rahmen der beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung? Soweit ich weiß, gibt es diese Altfälle, in denen Beamte nicht privat sondern freiwillig gesetzlich versichert waren bzw. immer noch sind.

Kann jemand Licht in das Dunkel bringen? Interessieren würden mich in diesem Zusammenhang z. B. wo ich die entsprechenden rechtlichen Grundlagen einer Mitgliedschaft eines Beamten bzw. seiner Hinterbliebenen in der gesetzlichen Krankenkasse finden kann.

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Beitragvon Vergil09owl » 30.03.2010, 18:17

Eine frage vorweg, wann machte sich denn die KK einen Gedanken zu diesem Fall

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Beitragvon Vergil09owl » 30.03.2010, 18:20

Falls es denn helfen sollte die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr 13 gibt es ja denn erst seit dem 01.04.07.

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Beitragvon Rossi » 30.03.2010, 18:48

Das ist die gängige Praxis der Kassen. Diese beruht auf die Aufklärungs- und Beratungspflicht im Sinne der allgem. Regelungen des SGB I.

Der Kunde ist damals aus der Versicherungspflicht ausgeschieden und genau dann hätte die Kasse auf eine anschliessende freiw. Mitgliedschaft hinweisen müssen.

Da sie dies nicht gemacht hat, muss sie im Rahmen des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruches den Kunden nun heute so stellen, als wenn sie ihn damals rechtzeitig beraten hätte. Also bietet man ihm heute noch die freiw. Kv. an.

Von daher, würde ich erst einmal die Beitrittsanzeige im Schweinsgalopp nachweislich bei der Kasse einreichen. Dann ist zumindest die Frist schon mal gewahrt.

Und dann würde ich mich erst einmal ganz ruhig in den Sessel lehnen und abwarten bis der Beitragsbescheid eintrudelt.

Danach sollte man die Verjährungsfristen klären.

Die Abführung der Beiträge aus der beamtenrechtlichen Versorgung hängt vermutlich damit zusammen, dass bei einer versicherungspflichtigen Hinterbliebenrente, die Beamtenversorgung auch der Beitragspflicht unterliegt. Die Kasse wird jetzt der Beamtenversorgung eine Mitteilung machen, dass die Hinterbliebenrente nicht mehr gezahlt wird. Dann anschliessend wird der Beitragsabzug rückwirkend aufgehoben und auch nachgezahlt. Aus der Beamtenversorgung dürfte sich weder eine Pflichtmitgliedschaft noch eine freiw. Krankenversicherung ergeben.

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Beitragvon woody66 » 31.03.2010, 08:02

@Vergil09owl
Über die Versicherungspflicht muss man sich im vorliegendem Fall auch keine Gedanken machen, da die betroffene Person durchgehend Leistungen nach Kapitel 6 des SGB XII erhalten hat.

Die rechtliche Betreuerin hat erst seit zehn Tagen Kenntnis von den Überlegungen der Krankenkasse.

@Rossi
Deine rechtliche Betrachtung des Falles deckt sich auch mit meinen Überlegungen. Die Betreuerin wird den Beitritt zu freiwilligen Versicherung auch fristwahrend mitteilen.

Auf die Beitragsrechnung bin ich auch einmal gespannt. Hier geht es immerhin um einen Zeitraum, in dem ein Mensch, der bei Ende der Versicherungspflicht geboren worden ist, inzwischen den Führerschein machen kann.

Der Beitragsabzug bei der Beamtenversorgung ist doch an die Krankenkasse abgeführt worden. Kann diese die Beiträge nicht mit den Beiträgen zur freiwilligen Versicherung verrechnen?

Wenn die gesamten Beiträge der letzten Jahre erst einmal alle erstattet werden müssten und dann für den größten Teil des Zeitraums die Einrede der Verjährung greift, bezahlt sich das Ding ja von selbst (ggf. bleibt sogar etwas über :wink: )

Eine Frage zur Verjährung noch: Rechne ich richtig, wenn ich glaube, dass die Beiträge, die für Zeiten vor Dezember 2005 erhoben werden, verjährt sind?

Beispiel:
Beitrag November 2005 - Fäligkeit lt. Satzung im Sinne des § 23 I S. 1 SGB IV 15.12.2005
Jahr der Fälligkeit 2005 + vier Jahre (also 2006, 2007, 2008, 2009)
Eintritt der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2009

Beitrag Dezember 2005 - Fälligkeit 15.01.2006
Jahr der Fälligkeit 2006 + vier Jahre (also 2007, 2008, 2009, 2010)
Eintritt der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2010

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 11:09

Also ich gehe dennmal dacon aus das hier denn ein Fall nach 264 SGB v vorleigt als Betreute?
für mich würde sich denn in diesem Fall die Frage stellen ob es sich den nicht hier um ein freiwillige versicherung handelt und das ganze im Sinne der KvdR geregelt werden müßte.
sofern denn Beiträge vom sozialamt gezahlt wurden müßten diese denna ufgerechnet werden mit den Bezügen Beamtenversorgungskasse.

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 11:14

Der Ablauf der Verjährung stimmt.

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Beitragvon woody66 » 31.03.2010, 11:56

§ 264 SGB V kommt hier nicht zur Anwendung. Die Krankenkasse hat die Person über all die Jahre als pflichtversichertes Mitglied geführt und offensichtlich entsprechenden Krankenversicherungsschutz gewährt. Numehr hat sie erkannt, dass ihr da ein Fehler unterlaufen ist. Im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches will sie jetzt daraus eine freiwillige Versicherung machen, da die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nicht vorliegen.

Dagegen ist ja auch gar nichts einzuwenden. Die Voraussetzungen für die freiwillige Mitgliedschaft haben ja damals auch vorlegen. Die Tatsache, dass hier ggf. die Beiträge durch einen Sozialhilfeträger gezahlt werden könnten, ändert doch nichts an der Tatsache, dass dies nur soweit gelten kann, wie der Betroffene auch ohne Sozialhilfeträger hätte zahlen müssen.

Gegen § 264 SGB V spricht darüber hinaus, dass materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Sozialhilfebedarf entsprechend § 18 I SGB XII das Bekanntwerden des Bedarfs ist. Da selbst die Krankenkasse diesen Irrtum er jetzt bemerkt hat, kann ein sozialhilferechtlicher Bedarf nicht vorher entstehen. Die Möglichkeit der Betreuung im Rahmen des § 264 SGB V für die Zukunft vernichtet auch nicht den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Wenn also der Betroffene durch seine Betreuerin seine durch die Krankenversicherung angebotene freiwillige Mitgliedschaft erklärt, ist der Betroffene gesetzlich krankenversichert. § 264 I und II SGB V setzen jeweils voraus, dass die betroffene Person nicht gesetzlich krankenversichert ist.

Wenn jetzt die Krankenversicherung auf einem Teil der "rückständigen" Beiträge verzichten muss, so liegt das doch daran, dass sie ihren Irrtum erst jetzt bemerkt. Das muss sie sich selbst zurechnen lassen. Dies kann nicht zu Lasten eines anderen Sozialleistungsträgers gehen.

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 12:47

Achso, du hattest geshrieben das Leistungen nach dem 6 Kapitel SGB XII erbracht werden, daher bin ich jetzt davon ausgegangen.
Ne grundsätzlich kann sie das nur, wie soll ich sagen ein wenig spät gemerkt.
Ich würde da wie rossi schon geschreiben hat abwarten,
Ggf Widerspruch einlegen, bei Beginn der Mitgliedschaft muss ja geprüft werden ob die versicherungsrechtlichen Vorraussetzungen gegeben sind.

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 12:57

Pardon, das Bezog sich natürlich auf die Versorgungsbezüge, die müßten nämlich im Rahmen des Meldverfahrens an die zuständige KK gemeldet worden siein, da hätte es schon auffallen müßen.

Wenn es jetzt erst festgesellt wird, hm stellt sich die frage auch was ist da schief gelaufen.

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 13:08

ist

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Beitragvon Rossi » 31.03.2010, 16:40

Okay, das mit der Beitragsertattung könnte ne spannende Geschichte werden.

Die Versorungsstelle hat nämlich gem. § 256 SGB V bei einem versicherungspflichtigen Rentner entsprechende Beitragsanteile aus dem Versorungsbezug einzubehalten und direkt an die Kasse zu zahlen.

Jetzt stellt sich nach zig Jahre heraus, upsela der Kunde war ja gar nicht mehr in der KVdR. Ergo keine versicherungspflichtige Rente und deswegen auch keine Verpflichtung zum Abzug aus dem Versorgungsbezug.

Nu geht das Theater los.

In dieser Konstellation wurden die Beiträge von der Versorgungsstelle zu Unrecht eingehalten und an die Kasse gezahlt.

Die Erstattungsgrundlage ergibt sich dann aus § 26 SGB IV.

Hiernach sind demjenigen die zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten, der sie getragen hat. Gretchenfrage, wer hat denn die Beiträge getragen? Dafür muss man wieder ins SGB V schnüffeln und wird in § 250 SGB V fündig. Dort ist nämlich geregelt, dass der Versicherte die Beiträge aus den sog. Versorungsbezügen selber zu tragen hat und die Versorgungsstelle lediglich die Beiträge einbehalten muss.

Wir haben aber immer noch nicht geklärt, was passiert denn mit den zu Unrecht gezahlten Beiträgen?

Und dann werden wir irgendwann in § 256 Abs. 2 Satz 4 SGB V regelt dann, dass der Kasse die zu Auszahlung der zu Unrecht gezahlten Beiträge obliegt.

Also hat der Kunde ein Anspruch gegenüber der Kasse.

Von daher wäre es natürlich ratsam und geboten, der Kasse vorzuschlagen, die Beiträge für die freiw. Kv. mit den zu Unrecht gezahlten Beiträgen zu verrechnen.

Die Verjährungsfristen hast Du richtig erkannt. Die Verjährung gilt nicht nur für die Nachforderung der Beiträge zur freiw. Kv., sondern auch für die Erstattung der zu Unrechtg gezahlen Beiträge. Allerdings gibt es hier einen kleinen Unterschied. Bei der Beitragsforderung kommt es auf die Fälligkeit des Beitrags an (in der Regel zum 15. des Folgemonats), bei der Beitragserstattung hingegen kommt es auf den Zahlmonat an. Die Versorgungsbezüge werden in der Regel im voraus gezahlt.

Boah, ist das SGB V nicht klasse!?

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Beitragvon Vergil09owl » 31.03.2010, 19:08

So sehe sich das auch, ist ja recht spannend.


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