Erbe als Berechnungsgrundlage für gesetzl. Zuzahlungen

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rainerpb
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Erbe als Berechnungsgrundlage für gesetzl. Zuzahlungen

Beitragvon rainerpb » 27.01.2015, 15:26

Hallo,ich bin neu hier und hab eine Frage zum Thema Berechnungsgrundlage bei Zuzahlungen zu Arzneimitteln. Ich schildere am besten kurz den Sachverhalt:

Ich bin 46 anerkannter Chroniker (Aids..und noch mehr) und erhielt bislang Harzt 4. Infolge des Todes meiner Mutter und dem damit eingetretenem Erbfall fließen mir in diesem Jahr ca. 80.000 Euro zu. Mit dem Zugriff aufs Erbe/Februar 2015 habe ich keinen Anspruch mehr auf Hartz4 und werde mich bei meiner Kasse freiwillig weiter verzichern. Wie mir die KK mitteilte(telefonisch) werde ich zum Minimaltarif dort versichert. Andere Einkünfte habe ich nicht. Und die Höhe des Erbes ist für den Mitgliedsbeitrag unerheblich. Anders wohl aber bei der Berechnung der Zuzahlungen...?!! Dort spielt die Höhe des Erbes sehr wohl eine Rolle,so sagte man mir jedenfalls. Mich würde interessieren,ob nun die Gesamtsumme von 80.000 Euro die Berechnungsgrundlage für die Zuzahlungen ist ,oder nur ein zwölftel (Apothekenrechner) oder wie es sich damit verhält? Kann mir jemand darauf nun eine Antwort geben?? Vielen Dank

tim|away
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Beitragvon tim|away » 27.01.2015, 17:35

Ich gehe von folgendem rein fiktiven Fall aus:

Person P besitzt ein Privatvermögen von 80.000 EUR und bezieht keine Einkünfte - weder aus Kapitalanlagen, Mieten, etc. Weiterhin ist Person P chronisch erkrankt, wodurch die Belastungsgrenze bei 1% (statt 2%) des Bruttojahreseinkommens liegt.

Resultierend aus dem vorhandenen Privatvermögen, werden Leistungen nach SGB II ("Hartz 4") nicht gewährt, sodass Person P effektiv keine Einnahmen bezieht und somit seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Privatvermögen bestreitet. Das private Vermögen spielt keine Rolle für die Belastungsgrenze. Eventuelle Kapitalerträge aus Privatvermögen (Zinsen) wären jedoch als Einnahmen zu bewerten.

In dieser Konstellation läge zunächst nahe, wenn der für Sozialhilfeempfänger bei der Ermittlung der Einnahmen zum Lebensunterhalt geltende Regelsatz generell als Mindestsatz für die Berechnung der Belastungsgrenze durch die Krankenkasse angesetzt wird. Eventuell ist hier das Urteil des BSG vom 19.09.2007, B 1 KR 1/07 R interessant. Der Fall ist zwar anders gelagert, jedoch stellt das BSG fest, dass bei der Berechnung der Belastungsgrenze kein fiktives Einkommen anzusetzen ist.

16
ee)
Wie der 10. Senat des BSG ausgeführt hat, bestimmt § 62 SGB V zwar nicht ausdrücklich, auf welches Jahr bei den "jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" für die Ermittlung der Belastungsgrenze abzustellen ist. Aus Systematik und Zweck der Regelung ergibt sich aber, dass es die Einnahmen des Kalenderjahres sind, für das die Belastungsgrenze zu berechnen ist. § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V spricht von Zuzahlungen "während jeden Kalenderjahres". Der entscheidende Satz 2 knüpft mit den "jährlichen" Bruttoeinnahmen an den so bestimmten Zeitraum an. Nur dadurch wird das Ziel des Gesetzes erreicht, Versicherte durch Zuzahlungen finanziell nicht zu überfordern. Denn welche Belastungen nach dem Maßstab des Gesetzes noch erträglich sind, richtet sich nach dem aktuellen Einkommen, aus dem die Zuzahlungen zu bestreiten sind. Ein historisches - u.U. Jahre zurückliegendes - Einkommen steht dazu regelmäßig nicht mehr zur Verfügung ( vgl BSG, Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/06 R ). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

17
b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen zählt zu den Einnahmen des Klägers im Jahr 2004 von vornherein nicht die Beitragserstattung, die er am 13.11.2003 empfangen hat. Aber auch die Beitragserstattung im Jahr 2004 ist keine Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt, denn dazu gehört nicht das Vermögen oder seine Umschichtung. Diesen Grundsatz hat das BSG zunächst für den Kapitalanteil einer Leibrente unter Rückgriff auf Wertungen des Arbeitsförderungsgesetzes ( vgl BSG SozR 4100 § 138 Nr. 3 ) entwickelt ( BSG SozR 2200 § 180 Nr. 12 S 38 ). Es hat ihn später erstreckt auf Kapitalumschichtungen sowie auf betriebsfremde Privatentnahmen aus einem Unternehmen, einem Fall der Entnahme aus der Vermögenssubstanz ( BSG SozR 2200 § 180 Nr. 19 S 61; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.4.1985, 12 RK 47/83, USK 85233 ). Danach können bloße Umschichtungen des eigenen Vermögens nicht als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt gewertet werden. In diese Kategorie fällt auch die Rückerstattung überzahlter, aus dem Vermögen geleisteter Beiträge. Mit der Rückerstattung wird nur eine nicht gerechtfertigte früher erfolgte Vermögensverschiebung wieder ausgeglichen. Raum für die Qualifizierung des Rückflusses von zu Unrecht aus dem Vermögen geleisteten Zahlungen als "Einnahme" verbleibt danach nicht.

18
c)
§ 62 SGB V lässt es schließlich auch nicht zu, fiktive Bruttoeinnahmen zugrunde zu legen. Vielmehr zielt die Vorschrift nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik darauf ab, nur die tatsächlichen jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt als maßgeblich anzusehen. Soweit das Gesetz fiktive Untergrenzen bezeichnen will, nimmt es dies eindeutig und ausdrücklich vor wie etwa in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V.Im praktischen Ergebnis führt die Gesetzesfassung allerdings dazu, dass auch Personen, die über ein sehr großes Vermögen verfügen, das keinen Ertrag abwirft, und von dessen Verzehr sie leben, keinen Zuzahlungen ausgesetzt sind, während selbst Bezieher von Leistungen nach dem BSHG - oder jetzt SGB XII - oder von entsprechenden Leistungen Zuzahlungen entrichten müssen. Es liegt aber nicht in der Hand der Rechtsprechung, solche - im Tatsächlichen eher extrem seltene Konstellationen betreffende - Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren, indem richterrechtlich eigenständig Mindestbruttoeinnahmen der Versicherten ohne gesetzliche Grundlage fingiert werden.


Nach meiner Einschätzung ist Person P von sämtlichen Zuzahlungen zu befreien, da jede Zahlung bei einem Jahresbruttoeinkommen von 0 EUR bereits die Belastungsgrenze überschreitet. Mich interessieren jedoch brennend die Einschätzungen der anderen Mitglieder.


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