Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

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H.Schneider
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Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon H.Schneider » 06.03.2017, 15:18

Während meines Studiums habe ich ein Nebengewerbe (Onlineversand) mit weniger als 20 h Arbeitszeit pro Woche gegründet. Dieses ist ordnungsgemäß beim Gewerbeamt angemeldet. Vom Finanzamt habe ich eine Anerkennung als Kleinunternehmerin und muss keine Umsatzsteuer abführen. Von diesem Nebeneinkommen habe ich meine Lebenshaltungskosten während meines Studiums zur Entlastung meiner Eltern mitgetragen. Es handelt sich um schwankende Beträge von ca. 200 bis 400 Euro im Monat. Ich bin jetzt seit ein paar Monaten fertig mit meinem Studium und schreibe Bewerbungen. Ich wohne noch mietfrei bei meinen Eltern. Während meines Studiums war ich in der studentischen Krankenversicherung bei der AOK und es gab mit dem Nebengewerbe keine Probleme. Nach meiner Exmatrikulation habe ich einen Fragebogen von der AOK bekommen, in dem ich Angaben zu meinen wirtschaftlichen Verhältnissen machen musste. Ich habe der AOK meine Situation ordnungsgemäß mitgeteilt und beantragt, mich als freiwilliges Mitglied zu versichern. Es wäre dann ein Monatsbeitrag von ca. 160 Euro inkl. Pflegeversicherung zu zahlen.

Das Problem ist nun, dass die AOK der Meinung ist, ich sei jetzt hauptberuflich selbständig (was nicht stimmt, da ich Bewerbungen schreibe und Vorstellungstermine wahrnehme und auch nach wie vor viel weniger als 20 Stunden pro Woche Arbeitszeit für meine selbständige Nebentätigkeit aufwende). Es werden mir jetzt ca. 380 Euro im Monat berechnet. Bei diesem Betrag könnte ich mein Nebengewerbe aber gleich an den Nagel hängen und Hartz IV beantragen (was ich möglichst vermeiden will). Über meine Eltern kann ich wegen meines Alters leider nicht mehr gesetzlich krankenversichert werden. Es kommt für mich auch nicht in Betracht, mein Nebengewerbe "schwarz" zu betreiben, weil das früher oder später zu Ärger führt.

Ist die Haltung der AOK so korrekt?

Czauderna
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Re: Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon Czauderna » 06.03.2017, 19:12

Hallo,
ich gehe davon aus bzw. nehme an, dass die Kasse den Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit eine hohe wirtschaftliche Bedeutung beimisst und dies als Kriterium für den Status "hauptberuflich Selbständig" sieht. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden - es liegt nun an dir, der Kasse klar zu machen, dass du von maximal 400,00 € nicht leben kannst und weiterhin, wie bisher auch, von den Zuwendungen deiner Eltern abhängig bist . dass du Bewerbungen schreibst, das interessiert die Kasse wahrscheinlich eher weniger - du arbeitest nicht, bzw. du arbeitest nur in deinem Gewerbe - ein weiterer Grund für "hauptberuflich Selbständig" - vielleicht wäre es doch günstiger, auf das Gewerbe zu verzichten solange du keine Festanstellung hast -
aber das muss du natürlich selbst wissen.
Fazit - ja, meiner Meinung nach verhält sich die Kasse korrekt.
Gruss
Czauderna

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Re: Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon Rossi » 07.03.2017, 08:10

Nun ja, so einfach würde ich jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen.

Zum Spitzenverband Bund der Krankenkasse gibt es grundsätzliche Hinweise zur Feststellung der "hauptberuflichen Selbständigkeit".


Guckst Du hier:

https://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/590212/Datei/114902/Hauptberuflich-Selbststaendig.pdf

Auf Seite 15 findest Du deine Konstellation:

3.2 Selbstständige Tätigkeit ohne andere Erwerbstätigkeit

Wird neben der selbstständigen Tätigkeit keine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt, lässt sich ein Vergleich der Kriterien wirtschaftliche Bedeutung und zeitlicher Aufwand nicht anstellen; eine fiktive Ermittlung von Vergleichsgrößen scheidet aus. In diesen Fällen ist das Merkmal der Hauptberuflichkeit daran abzuleiten, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit der Lebensführung des Betroffenen von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her das Gepräge gibt. Insofern kann von Hauptberuflichkeit nicht generell dann ausgegangen werden, wenn neben der selbstständigen Tätigkeit keine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Im Wege einer den praktischen Erfordernissen gerecht werdenden Prüfung der Hauptberuflichkeit
kann von folgenden Grundannahmen ausgegangen werden:

- Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit den Selbstständigen mehr als 30 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt dann, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt.
Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn das Arbeitseinkommen 25 v. H. der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

- Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit den Selbstständigen mehr als 20 Stunden, aber nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt dann, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn das Arbeitseinkommen 50 v. H. der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

- Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit den Selbstständigen nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt nicht, wenn das Arbeitseinkommen 75 v. H. der monatlichen Bezugsgröße übersteigt und (insofern) anzunehmen ist,
dass es die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt.

Lässt sich nach diesen Grundannahmen das Vorliegen einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht eindeutig bestimmen oder liegen Anhaltspunkte für andere Gegebenheiten hinsichtlich der Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts vor oder gilt es, Einwände gegen Grundannahmen zu prüfen, ist die Beurteilung im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen. Für die Feststellung, ob das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt, sind alle weiteren Einnahmen, die zum Lebensunterhalts verbraucht werden können, heranzuziehen. Diese hat der Selbstständige auf Verlangen nachzuweisen. Darüber hinaus sind auch Unterhaltsansprüche zwischen nicht getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb
der eherechtlichen Beziehung einen entscheidenden Faktor für die Bestreitung des Lebensunterhalts des Selbstständigen darstellen. Auf der Grundlage aller Angaben ist anschließend zu ermitteln, ob der Lebensunterhalt deutlich überwiegend aus dem Arbeitseinkommen bestritten wird, dieses mithin die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt.
Von einem deutlichen Überwiegen kann ausgegangen werden, wenn das Arbeitseinkommen um mindestens 20 v. H. über den weiteren Einnahmen zum Lebensunterhalt im vorstehenden Sinne liegt. Der vorgenannte Prozentsatz ist allerdings kein starrer Wert, sondern dient der Orientierung.

Werden mehrere selbstständige Tätigkeiten ausgeübt, sind sie hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und des zeitlichen Umfangs zusammenzurechnen.

Hinweis:
Die monatliche Bezugsgröße beträgt derzeit 2.975,00 €.

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Re: Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon Czauderna » 07.03.2017, 09:55

Hallo,
Ja, dem kann ich mich anschließen, damit könntest es zumindest versuchen die Kasse zu einer anderen Entscheidung zu bringen bzw. deinem Widerspruch abzuhelfen - hatte ich geschrieben, als es um die maximal 400,00 € und um die Bestreitung deines Lebensunterhaltes ging. Das von Rossi zitierte Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes aus 2013 könnte dir da evtl. sehr von Nutzen sein.
Gruß
Czauderna

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Re: Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon Rossi » 07.03.2017, 12:36

Nun ja, im ersten Anlauf ist dies für mich keine hauptberufliche Selbständigkeit.

Frank1
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Re: Problem mit gesetzl. Krankenversicherung bei Nebengewerbe nach Exmatrikulation

Beitragvon Frank1 » 09.03.2017, 17:53

M.E. liegt hier eine hauptberufliche Selbständigkeit vor.
Empfehlung: Vorerst einen Teilzeitjob für 500,- Euro annehmen.
Dann bist du hauptberuflich unselbständig und nebenberuflich selbständig (hier wenige Stunden angeben).
Damit ist die Selbständigkeit sozialversicherungsfrei.

Frank1


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