Jobcenter muss nicht Gebühr für fehlende Krankenversicherung

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Vergil09owl
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Jobcenter muss nicht Gebühr für fehlende Krankenversicherung

Beitragvon Vergil09owl » 23.05.2012, 12:48

Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) haben keinen Anspruch auf Übernahme von Beitragsrückständen aufgrund von sogenannten Zuschlägen für Nichtversicherte nach §193 Abs. 4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).



http://www.juraforum.de/recht-gesetz/jo ... len-399638

Mal so zur Info.

Zelda
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Beitragvon Zelda » 25.05.2012, 12:38

Allerdings sind die Versicherer grundsätzlich bereit auf die zwischen 01.01.2009 und 31.01.2012 aufgelaufenen Außenstände zu verzichten, wenn die Betroffenen einen entsprechenden Antrag stellen. Hierzu ist es erforderlich, für den betroffenen Zeitraum eine Hifsbedürftigkeit nachzuweisen. Bezug von ALG II oder Sozialgeld reichen hierzu aus. Jedoch behalten sich die Versicherer eine Einzelfallentscheidung vor.

Ab 01.04.2012 werden für Bezieher von Arbeitslosegeld II oder Sozialgeld die Beiträge für die PKV vom Jobcenten direkt an die Versicherer überwiesen.

Quelle: Zeitschrift "Versicherungswirtschaft", Ausgabe 09/2012, S. 654
https://www.vvw.de/index.php?parent=260 ... &namesubs=

Bleibt zu klären, was mit Februar und März 2012 ist...

Rossi
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Beitragvon Rossi » 25.05.2012, 14:49

Ich glaube, dass die Info nicht richtig ist.

Zunächst einmal gilt dies nur für die Zeit vom 01.01.2009 - 31.01.2011. Und auch nur dann, wenn die Kunden in diesem Zeitraum auch tatsächlich ALG II bezogen haben. ALG II kann man niemals rückwikend erhalten, sondern erst ab dem 01. des Monats der Antragstellung.

Ferner gilt dies nicht für einen Prämienzuschlag.

Eumel52

Beitragvon Eumel52 » 25.05.2012, 20:03

Bei Hartz-IV-Empfängern haben die PKVs keine Verluste, wenn sie auf rückständige Beiträge verzichten, da es hier ohnehin nichts zu pfänden gibt.
Hier können sich die PKVs also "grosszügig" zeigen.
Problematisch ist es für Rentner, die ihr Arbeitsleben lang den Höchstbeitrag in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt haben.
Bezahlen die ihre alljährlich exorbitant steigenden PKV-Forderungen, so bleibt vor ihrer Rente ein Rest, der knapp oberhalb des Existenzminimums liegt.

Ein Rechenbeispiel:
Rente nach 35 Jahren Höchstsatzzahlung: 1800€
abzüglich PKV-Forderung 900€
abzüglich Miete 400€, Heizung 100€
verbleiben 400€ für Strom, Telefon und Essen, das sind 26€ mehr wie Hartz IV, also keinen Erlass rückständiger Beiträge, sondern Pfändung.
In diesem Beispiel sind die alljährlichen Beitragssteigerungen (bei mir 7%/Jahr) noch nicht berücksichtigt.

Ein gesetzlich versicherter Rentner müsste ca 200€ in die GKV einzahlen.
Ihm bleiben im obigen Beispiel zum Leben nicht 400€, sondern 1100€.

Diesen Sachverhalt muss man berücksichtigen, wenn einem in jungen Jahren ein PKV-Vertreter das Blaue vom Himmel verspricht.

Roland Gutsch
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Beitragvon Roland Gutsch » 25.05.2012, 20:24

Hallo Eumel52,

ich bin vollkommen bei Ihnen, dass man PKV-Vertretern, die einem "das Blaue vom Himmel versprechen" misstrauen soll.

ABER:
Kein Rentner, der lange in der PKV versichert war, bezahlt für Leistungen, die der GKV vergleichbar sind 900.- €.

Sie raspeln hier leider in der selben Kerbe, wie die unqualifizierten Medienberichte der letzten Zeit. Jeder Rentner (der vor 2009 in die PKV eingetreten ist) hat zum Beispiel die Möglichkeit, in den Standard-Tarif zu wechseln. Es werden alle Alterungsrückstellungen angerechnet, wodurch Beiträge zu zahlen sind, die in der Region der von Ihnen genannten GKV-Rentner-Beiträgen sind - manchmal sogar (deutlich) weniger.

Die Medien führen Beispiele von Rentnern an, die (aus Unwissenheit?) sich nicht um eine Wechsel in andere Tarife kümmern. Anstatt in das "PKV-Bashing" einzustimmen, hätte man als qualifiziert recherchierender Journalist auf die Möglichkeit des Standard-Tarifes hinweisen können / müssen.

Wenn Ihnen persönlich die PKV-Beiträge zu hoch sind, sollten Sie sich um einen Wechsel in den Standard-Tarif kümmern.

Freundliche Grüße

Eumel52

Beitragvon Eumel52 » 25.05.2012, 22:34

Der Standardtarif wurde vom Gesetzgeber vorgeschrieben, da die PKVs von ihren Versicherten zunehmend Monatsbeiträge gefordert haben, welche deren monatlichen Einkünfte überstiegen.
Der Beitrag im Standardtarif darf den durchschnittlichen Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen.
Das sind knapp 700€ monatlich - ganz schön happig für einen Rentner.
Ein gesetzlich Versicherter Arbeitnehmer mit 1800€ Einkommen (zum Vergleich mit meinem obigen 1800€-Rentner-Beispiel) zahlt 270€ in die GKV, davon trägt sein Arbeitgeber die Hälfte.

Volksgesundheit muss eine Staatsaufgabe werden, so wie es Sozialpolitik, Bildung, Umwelt- und Naturschutz, Verbrechensbekämpfung, Justiz, Landesverteidigung etc sind.
Dänemark lässt grüssen, da funktioniert das.

Gesundheit ist ein elementares Lebensbedürfnis und darf nicht durch die Privatinteressen der Gesundheitsindustrie gefährdet werden.
Unser derzeitiges marktgesteuertes Gesundheitssystem hat eine Eigendynamik entwickelt, die seltsame Blüten treibt:

Ein mit mir befreundeter Arzt hat mir berichtet, dass er zusammen mit seiner Familie von einem Pharmakonzern zu einer mehrwöchigen Karibik-Kreuzfahrt eingeladen wurde.
Das ganze war eine Werbeveranstaltung für überteuerte Medikamente, getarnt als pharmazeutische Fortbildung für Ärzte und Apotheker.
Meinen Anteil an derartigen Lustveranstaltungen fand ich anschliessend in Form meiner Beitragserhöhung.
Diese Beitragserhöhung wurde mit gestiegenen Gesundheitskosten begründet.
Wenn ich die nicht bezahle kommt die Vollstreckung.

So etwas muss beendet werden.
Ein Unternehmer mit 10 Mio Jahreseinkommen sollte weniger für die Volksgesungheit bezahlen müssen wie einer mit 100 Mio Jahreseinkömmen.
Heute zahlen die den gleichen Betrag wie ein Arbeitnehmer mit 60000€ Jahreseinkommen.
Gesundheit muss daher steuerfinanziert werden.
Rechnet man die Entwicklung unserer Gesundheitskosten in die Zukunft hoch, so werden die in absehbarer Zeit unser Bruttosozialprodukt übersteigen und die Yachten der Pharmaproduzenten haben nicht mehr genug Platz in den Lusthäfen der teuersten Urlaubsorte.
Beitragsforderungen, die die Renten der Betroffenen übersteigen, sind nur der Anfang.

Roland Gutsch
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Beitragvon Roland Gutsch » 26.05.2012, 14:14

Eumel schrieb unter anderem
Der Beitrag im Standardtarif darf den durchschnittlichen Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen.

Das sehen Sie richtig. Er darf ihn aber unterschreiten. Und das ist in dem von Ihnen herangezogenen Beispiel (langjährig PKV-Versicherter) immer der Fall. Im Übrigen sind Sie beim Aufrunden wohl etwas zu weit gegangen: der Höchstbeitrag GKV beträgt nicht "knapp 700 €", sondern exakt 575,44 € - (+ Pflege 72,39 für Mitglieder mit Kindern).

Wer lange versichert war, für den liegt der Beitrag im PKV-Standard-Tarif häufig unter dem Beitrag, der in der GKV zu entrichten wäre (also unter den von Ihnen genannten 270 €) und zwar durch
1. Anrechnung der Alterungsrückstellungen,
2. Wegfall des Krankentagegeldes,
3. Wegfall des 10%igen Zuschlages mit 60. LJ.


Sie haben außerdem (neben dem zu hoch dargestellten PKV-Beitrag) in Ihrer Rechnung den Zuschuss des Rentenversicherungsträgers zur PKV vergessen!
Wer 1.800.- € Rente erhält, hat Anspruch auf einen
4. Zuschuss zur PKV von 131,40 €.

Wo ist also das Problem im Konkreten (abgesehen von Ihrer teilweise berechtigten Sytemkritik)?

Wer in seiner PKV langjährig versichert war und wem der Beitrag zu hoch ist, der wechselt in den Standard-Tarif, hat (annähernd) die selben Leistungen wie in der GKV und zahlt in der Regel einen ähnlichen Beitrag.
Nebenbei ist dann auch die Frage interessant, was mit den (zumindest in den ersten Jahren vorhandenen) Ersparnissen gegenüber der GKV angestellt wurde.

Es muss nur jemanden geben, der ihn / sie über den Standard-Tarif informiert (zum Beispiel die Medien als Alternative zu der leider üblichen "bad news are good news" Horror-Berichterstattung).

Freundliche Grüße

P.S.:
von einem Pharmakonzern zu mehrwöchigen Karibik-Kreuzfahrt eingeladen wurde. ... So etwas muss beendet werden.

Was halten Sie denn von dem Vorschlag:
Einfach solche Einladungen ausschlagen!
Stell dir vor, Pharma-Konzern lädt ein - und niemand geht hin!
Hat Ihr akademisch gebildeter Freund nicht so viel Verstand, dass er weiß, was sich hinter solchen "unverdächtigen" Veranstaltungen verbirgt?

Oder im Stil der aktuellen Presse zur PKV ausgedrückt: Ist er doof oder korrupt? Oder beides?
Meinen Anteil an derartigen Lustveranstaltungen fand ich anschliessend in Form meiner Beitragserhöhung.

Sie haben diesem Menschen deshalb sofort die Freundschaft gekündigt, oder?
Zuletzt geändert von Roland Gutsch am 26.05.2012, 21:38, insgesamt 1-mal geändert.

Vergil09owl
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Beitragvon Vergil09owl » 26.05.2012, 20:30


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Beitragvon Roland Gutsch » 26.05.2012, 21:30

Basistarif nur für diejenigen, die nach 2009 in die PKV gewechselt sind.

Alle, die vorher bereits versichert waren, wählen den (meist deutlich günstigeren und in der Leistung sehr ähnlichen) Standard-Tarif.

Das hätte dem im Artikel erwähnten Schuldner zwar einen niedirgeren PKV-Beitrag, aber auch einen höheren pfändbaren Betrag eingebracht. Und - wenn ich es beim Überfliegen recht verstanden habe - wollte der PKV-Versicherte nicht in einen günstigeren Tarif wechseln.

Mir ging es aber darum aufzuzeigen, dass jemand, der lange in der PKV war und als Rentner freiwillig (bzw. durch Geldmangel gezwungen) in einen billigeren TArif wechseln will / muss, den Standard-Tarif wählen kann und dadurch beitrags- und leistungsmäßig gegenüber dem GKV-Mitglied keinen Nachteil hat.


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