PKV nicht bezahlt - nun ErzwingungsHAFT

Erfahrungsberichte, Beitragserhöhungen, Versicherungspflicht, gesetzlich oder privat, usw.

Moderatoren: Rossi, Czauderna, Frank

gassag
Beiträge: 4
Registriert: 29.08.2014, 01:12

PKV nicht bezahlt - nun ErzwingungsHAFT

Beitragvon gassag » 29.08.2014, 01:21

Hallo,

ich muss in Haft, weil ich meine private Krankenkasse nicht bezahlen konnte (und immer noch nicht bezahlen kann). Ich verstehe nicht, wieso ich - wie ein Verbrecher - in den Knast muss.

Ich war bis vor 2 Jahren privat krankenversichert. Leider konnte ich meine Versicherung nicht bezahlen und habe in dieser Zeit Arztrechnungen selbst bezahlt. Meine Krankenkasse hat sämtliche Leistungen abgelehnt.

Ich habe erfahren, dass die PKV Versicherungsleistungen vollständig ablehnen kann, wenn in diesem Zeitraumseitens des Versicherungsnehmers keine Beiträge/Zahlungen geleistet werden. Die Zahlungen sind rückwirkend trotzdem füllig, jedoch erhält der Versicherungsnehmer keine Erstattung der Arztkosten oder medizinischen Leistungen (Ausnahme: Lebensbedrohliche Unfälle).

Meine Krankenkasse meldete den Zahlungsrückstand u.a. auch dem Landratsamt. Es kamen Bußgeldbescheide seitens des Landratsamts, weil die (mit PKV Beiträge zusammenhängende) Pflegeversicherung nicht bezahlt wurde.

Das bei mir orstansässige Amtsgericht urteilt nun, dass ich in den Knast muss, weil ich diese Bußgeldbescheide nicht bezahlt habe.

Fazit: Zahlungsunfähig > keine Beiträge an PKV > keine Pflegeversicherungsbeiträge > Bußgeld > (immer noch Zahlungsunfähig) > ErzwingungsHAFT

Ich bin sehr verzweifelt, weil ich es für absolut unfair halte, dass ich wegen Zahlungsunfähigkeit in den Knast gesperrt werde.

Ich will kein Geld von diesem ** Staat, kein Hartz 4, keine Zwangs-Krankenversicherung. Ich will aber auch gleichzeitig, dass mich diese Götter-Richter etc in Ruhe lassen.

Wie kann ich mich gegen das Urteil wehren ??

gassag
Beiträge: 4
Registriert: 29.08.2014, 01:12

Beitragvon gassag » 29.08.2014, 01:23

Ich bitte voreilige Moderatoren oder Administratoren oder sonstige Mächte dieses Forums, meinen Beitrag nicht sofort zu löschen.

Bei Bedarf erbringe ich alle Nachweise (Urteil, Schreiben des Landratsamts etc). Sofern eine Löschung meines Themas beabsichtigt ist bitte ich um Mitteilung, ich werde daraufhin alle Nachweise (Originalschreiben, Name und Aktenzeichen geschwärzt) veröffentlichen.

Rossi
Moderator
Moderator
Beiträge: 5904
Registriert: 08.05.2007, 18:39

Beitragvon Rossi » 29.08.2014, 08:48

Nun ja, man muss leider klipp und klar zwischen der priv. Krankenversicherung und der privaten Pflegeversicherung unterscheiden.

Wenn man die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht zahlt, wird man seit dem 01.08.2013 in den sog. Notlagentarif überführt. Dieser kostet ca. 80,00 € mtl. Es bestehen auch Leistungsansprüche (unabhängig von einer Zahlung) in Notfällen, bei akuten Schmerzen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft.

Wenn man die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung nicht zahlt, ist dies nicht gut. Der Beitrag bleibt bestehen. Sofern mehr als 6 Monate Beiträge für die private Pflegeversicherung rückständig sind, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Genau deswegen hast Du ein Bußgeldbescheid vom Landratsamt erhalten. Wenn Du die rückständigen Beiträge und das Bußgeld nicht zahlst, dann kann es durchaus zur Erzwingungshaft kommen. Du solltest dir daher etwas einfallen lassen.

Zahle auf jeden Fall die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung. Deklariere dies auf der Überweisung genau, dass diese Gutschrift für die private Pflegeversicherung. Sonst hast bzw. wirst Du ein Problem bekommen.

Dipling
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1005
Registriert: 13.02.2009, 16:24

Beitragvon Dipling » 29.08.2014, 09:25

Wie schon geschrieben, sollte rückwirkend eine Umstellung in den Notlagentarif erfolgt sein, was etwaige Beitragsschulden schon mal drastisch reduziert. Zumindest der Pflegeversicherungsanteil sollte immer gezahlt werden.

Vermutlich wurde der Behörde und dem Gericht die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Sonst macht eine Erzwingungshaft keinen Sinn.

Siehe auch §§ 95-97 OWiG:

§ 95 Beitreibung der Geldbuße
(1) Die Geldbuße oder der Teilbetrag einer Geldbuße wird vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nur beigetrieben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, daß sich der Betroffene der Zahlung entziehen will.
(2) Ergibt sich, daß dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die Zahlung in absehbarer Zeit nicht möglich ist, so kann die Vollstreckungsbehörde anordnen, daß die Vollstreckung unterbleibt.

§ 96 Anordnung von Erzwingungshaft
(1) Nach Ablauf der in § 95 Abs. 1 bestimmten Frist kann das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde oder, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, von Amts wegen Erzwingungshaft anordnen, wenn
1.die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag einer Geldbuße nicht gezahlt ist,
2.der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b),
3.er nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 belehrt ist und
4.keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben.
(2) Ergibt sich, daß dem Betroffenen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so bewilligt das Gericht eine Zahlungserleichterung oder überläßt die Entscheidung darüber der Vollstreckungsbehörde. Eine bereits ergangene Anordnung der Erzwingungshaft wird aufgehoben.
(3) Die Dauer der Erzwingungshaft wegen einer Geldbuße darf sechs Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung festgesetzter Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Sie wird, auch unter Berücksichtigung des zu zahlenden Betrages der Geldbuße, nach Tagen bemessen und kann nachträglich nicht verlängert, jedoch abgekürzt werden. Wegen desselben Betrages darf die Erzwingungshaft nicht wiederholt werden.

§ 97 Vollstreckung der Erzwingungshaft
(1) Für die Vollstreckung der Erzwingungshaft gilt § 451 Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung, im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten auch § 82 Abs. 1, § 83 Abs. 2 sowie die §§ 84 und 85 Abs. 5 des Jugendgerichtsgesetzes sinngemäß.
(2) Der Betroffene kann die Vollstreckung der Erzwingungshaft jederzeit dadurch abwenden, daß er den zu zahlenden Betrag der Geldbuße entrichtet.
(3) Macht der Betroffene nach Anordnung der Erzwingungshaft geltend, daß ihm nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so wird dadurch die Vollziehung der Anordnung nicht gehemmt. Das Gericht kann jedoch die Vollziehung aussetzen.

gassag
Beiträge: 4
Registriert: 29.08.2014, 01:12

Beitragvon gassag » 29.08.2014, 11:57

Hallo,

vielen Dank erstmal für eure Antworten. Ich bin über die hohe Qualität eurer Antworten verblüfft :)

Kann ich die Erzwingungshaft noch abwenden mit Darlegung der Zahlungsunfähigkeit (weil unzumutbar wegen meiner wirtschaftlichen Verhältnisse) DEM RICHTER am Amtsgericht gegenüber?? (oder habe ich das bereits dem Landratsamt gegenüber darlegen müssen?

Problem ist hier, dass mich niemand informiert hat, dass ich den Ärger - durch Darlegen meiner wirtschaftlichen Verhältnisse - abwenden könnte.
Ich bin es gewohnt, dass ich über meine Rechte informiert werden muss, so wie es auch Wettbewerbs- und Verbraucherrechte vorsehen (siehe Zwangs-Widerrufsbelehrungen etc).

Ich habe seit wenigen Monaten einen Job (und bin nun gesetzlich krankenversichert). Reicht es aus, wenn ich Lohnabrechnungen (zirka 640 EUR netto im Monat) dem Gericht vorlege.Übrigens, im Gericht ist meine Vermögensauskunft von 2013 gespeichert, der Richter hat jederzeit Einsicht in diese Unterlagen.

Dipling
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1005
Registriert: 13.02.2009, 16:24

Beitragvon Dipling » 29.08.2014, 13:14

Beim Amtsgericht befindet sich eine Rechtsantragstelle. Die Rechtspfleger dort nehmen Anträge und Beschwerden auf und helfen ggf. bei der Formulierung.

Gegen die Anordung der Erzwingungshaft ist die sofortige Beschwerde zulässig. Vermögenslosigkeit und keine bzw. nur geringe Einkünfte sollten belegt werden.

Außerdem kann und sollte bei der Rechtsantragstelle Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe beantragt werden. Damit kann sich ggf. ein Rechtsanwalt der Sache annehmen.

gassag
Beiträge: 4
Registriert: 29.08.2014, 01:12

Beitragvon gassag » 03.09.2014, 16:32

Hallo,

bitte entschuldigt die Nachfrage.

Nun habe ich dem Gericht geschrieben, dass die Erzwingungshaft abzuwenden ist, weil mir die sofortige volle Zahlung des Bußgeldes aufgrund meiner wirtschaftlichen finanziellen Verhältnisse nicht zumutbar ist. Alles gemäß dem Gesetz § 96 Abs. 4 (2) OWiG. In der Anlage Gehaltsbescheinigungen der letzten 3 Monate und Verweis auf die Vermögensauskunft, welche sich im Gericht des Richters bereits befindet

Nun habe ich ein schlechtes Gefühl. Ich möchte nicht riskieren, dass in Kürze die staatliche Ordnungsmacht vor meiner Türe steht und mich abführt, in Haft. Zumal dann die Zahlung des Bußgeldes i.H.v. nur 150 EUR nicht mehr ausreicht, sondern mehrere hundert Euro Vollstreckungskosten hinzukommen.

Frage 1: Ist es tatsächlich so, dass die sofortige volle Zahlung des Bußgeldes aufgrund meiner wirtschaftlichen finanziellen Verhältnisse nicht zumutbar ist? Ich verdiene 642 EUR netto im Monat (7680 EUR im Jahr).

Frage 2: Wie soll ich nun vorgehen (einfach 30 EUR überweisen als ersten Schritt??) (Ich vermute, dass das Gericht sich keine weitere Mühe macht mich anzuschreiben, weil es bereits ein Urteil gibt, nämlich Erzwingungshaft. Ich habe mich verteidigt innerhalb der einwöchigen Frist ab Zustellung des Urteils).

Dipling
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1005
Registriert: 13.02.2009, 16:24

Beitragvon Dipling » 03.09.2014, 18:25

Wenn schon Erzwingungshaft angeordnet wurde, gilt § 97 OWiG. Der sichere Weg zur Abwendung der Erzwingungshaft ist die volle Begleichung des Bußgeldes.
Die Darlegung einer Zahlungsunfähigkeit ist demgegenüber eine kann-Regelung ("Das Gericht kann jedoch die Vollziehung aussetzen").
Das Gehalt liegt immerhin unter der Pfändungsfreigrenze, bindend ist dies aber nur im Zivilprozess, also für private Gläubiger. Teilzahlungen zu leisten ist m.E. schon ein guter Weg, um Zahlungswillen zu demonstrieren.

§ 97 Vollstreckung der Erzwingungshaft
...
(2) Der Betroffene kann die Vollstreckung der Erzwingungshaft jederzeit dadurch abwenden, daß er den zu zahlenden Betrag der Geldbuße entrichtet.
(3) Macht der Betroffene nach Anordnung der Erzwingungshaft geltend, daß ihm nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, den zu zahlenden Betrag der Geldbuße sofort zu entrichten, so wird dadurch die Vollziehung der Anordnung nicht gehemmt. Das Gericht kann jedoch die Vollziehung aussetzen.


Zurück zu „Allgemeines PKV“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 19 Gäste