Wiedereintritt in die KV - Nachzahlungen

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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tim|away
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Wiedereintritt in die KV - Nachzahlungen

Beitragvon tim|away » 31.08.2014, 22:31

Hallo zusammen,

ich habe gesehen, dass das Thema Nachzahlung hier unzählige Male durchgekaut wurde. Die Gesetze scheinen sich jedoch häufig zu ändern und es kommt auf individuelle Details an.

Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeit zu einem realen Sachverhalt sind rein zufällig.

Zur Geschichte:
Eine Person P war bis schätzungsweise 2007 in der GKV seiner Eltern (Barme* Ersatzkasse) und hat sich anschließend selbstständig gemacht - ohne eine freiwillige Mitgliedschaft in einer GKV oder Mitgliedschaft einer PKV. Mittlerweile ist dieser Person bewusst, dass dies sehr dumm war. Glücklicherweise musste P nie einen Arzt aufsuchen müssen in dieser Zeit.

Die Selbstständigkeit hat P nun an den Nagel gehängt und ALG II beantragt. Es i

1) Trifft § 5 Abs. 5a SGB V in diesem Fall zu? Begründung?
2) Ist das Arbeitsamt gem. § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V dazu verplichtet P bei einer Krankenkasse anzumelden? Wäre dies ratsam?
3) Welche Optionen hat P, um horrende Nachzahlungen zu vermeiden bzw. im Vorfeld die Weichen günstig zu stellen? Ich sehe ansonsten eine private Insolvenz auf P zukommen.

Herzlichen Dank im Voraus für die hilfreichen Antworten.
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon tim|away » 31.08.2014, 23:31

Vielleicht noch eine kurze Anmerkung, die evtl. relevant sein könnte:
Am 29.08.2014 habe ich die Selbstständigkeit beim Finanzamt abgemeldet und am gleichen Tag ALG II beantragt. Wirkt sich dies irgendwie nachteilig aus und hat dies einen Einfluss auf § 5 Abs. 5a SGB V? Sollte dies der Fall sein, könnte ich evtl. versuchen nachträglichen einen anderen Stichtag wählen für das Ende der Selbstständigkeit (beispielsweise 27.08.2014).

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Beitragvon Czauderna » 01.09.2014, 12:23

Hallo,
als du den Antrag auf ALG-2 gestellt hast, wurdest du dort nach deiner Krankenkasse gefragt ?
Gruss
Czauderna

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Beitragvon tim|away » 01.09.2014, 12:53

Czauderna hat geschrieben:Hallo,
als du den Antrag auf ALG-2 gestellt hast, wurdest du dort nach deiner Krankenkasse gefragt ?
Gruss
Czauderna


Folgende Angaben auf dem Hauptantrag:
Private, freiwillige gesetzliche oder fehlende Pflege- und Krankenversicherung:
- ich bin nicht krankenversichert. (angekreuzt)

Weitere Angaben auf dem Bogen SV:
Kranken- und Pflegeversicherung, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung auf ALGII keine Versicherung besteht:
- Ich bin hauptberuflich selbstständig tätig (nicht angekreuzt)
Hinweis: Wenn einer der vorgenannten Voraussetzungen auf Sie oder die weitere Person zutrifft, besteht keine Versicherungspflicht aufgrund des ALGII Bezugs. Wenn die vorgenannten Bedigungen nicht auf Sie zutreffen, tritt grundsätzlich die Versicherungspflicht aufgrund des ALGII Bezugs ein. Wählen Sie bitte eine gesetzliche Krankenkasse und legen Sie innerhalb von zwei Wochen die Mitgliedsbescheinigung vor.

Antragsstellung fand zwar am gleichen Tag statt wie die Abmeldung der Selbstständigkeit beim Finanzamt, jedoch war P zum Zeitpunkt des ALG II Antrags nicht mehr selbstständig. Da die Auftragslage ohnehin schlecht war in der letzten Zeit, wäre P genau genommen nur "nebenberuflich selbständig und hauptberuflich erwerbslos" sofern es eine derartige Konstellation überhaupt gibt.
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:32, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitragvon Rossi » 01.09.2014, 13:00

Nun, ich denke mal, dass Du dem Jobcenter keine Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse vorglegt hast.

In dieser Konstealltion muss dich das Jobcenter bei der damaligen Kasse anmelden.

Die Mitgliedschaft im Rahmen des ALG II ist nicht davon abhängig, dass Du vorher bpsw. die Zeit der vermeintlichen Nichtversicherung (2007 - 2014 / Antrag ALG II) nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V anzeigst und Beiträge nachzahlen musst.

Der § 5 Abs. 5a SGB V ist bei dir auch nicht schädlich.

Für das Jobcenter und für die Krankenkasse gibt es speziell ein Rundschreiben, in denen solche Fälle für beide (Jobcenter und Krankenkasse) verbindlich geregelt ist.

Guckst Du hier:

http://www.aok-business.de/fachthemen/pro-personalrecht-online/datenbank/grundlagen-ansicht/poc/docid/4535073%2C25/

Zitat:
(2) Auf Personen, die taggenau vor Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II tatsächlich weder gesetzlich noch privat versichert waren, zuletzt jedoch der GKV angehörten, treffen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 a zweite Alternative SGB V - ungeachtet der Personenkreiszugehörigkeit - von vornherein nicht zu, wenn die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorlagen, die Versicherungspflicht tatsächlich jedoch, z. B. wegen mangelnder Mitwirkung der betroffenen Person, nicht festgestellt worden ist. Diese Personen sind im Sinne einer konsequenten Systemabgrenzung für die Zeit des Arbeitslosengeld II-Bezuges (weiterhin) der GKV zuzuordnen

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Beitragvon tim|away » 01.09.2014, 13:04

Danke für die Antwort, Rossi.

Rossi hat geschrieben:Nun, ich denke mal, dass Du dem Jobcenter keine Mitgliedsbescheinigung einer Krankenkasse vorglegt hast.


Vollkommen richtig, da P keine Mitgliedsbescheinigung hat und diese wahrscheinlich auch nicht bekommen wird ohne "Kralle".

Verstehe ich es richtig, dass die hier oftmals erwähnte "Kralle" eine Verpflichtung zur Zahlung der rückwirkenden Beiträge+Zinsen ist?


Rossi hat geschrieben:Der § 5 Abs. 5a SGB V ist bei dir auch nicht schädlich.

Könntest du mir dies bitte begründen?


Rossi hat geschrieben:In dieser Konstealltion muss dich das Jobcenter bei der damaligen Kasse anmelden.

Das wird ein Spaß. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Sachbearbeiterin ohne großen Kampf darauf einlassen wird. Ich nehme an, dass ich mich auf § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V stützen würde.

Was geschieht denn anschließend? Ich nehme an, dass die Krankenversicherung P anstandslos aufnehmen muss und P den Fragebogen zur Vorversichertenzeit zuschicken wird, den P nicht ausfüllen wird.
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon tim|away » 01.09.2014, 13:22

Rossi hat geschrieben:Für das Jobcenter und für die Krankenkasse gibt es speziell ein Rundschreiben, in denen solche Fälle für beide (Jobcenter und Krankenkasse) verbindlich geregelt ist.

Guckst Du hier:

http://www.aok-business.de/fachthemen/pro-personalrecht-online/datenbank/grundlagen-ansicht/poc/docid/4535073%2C25/

Zitat:
(2) Auf Personen, die taggenau vor Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II tatsächlich weder gesetzlich noch privat versichert waren, zuletzt jedoch der GKV angehörten, treffen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 a zweite Alternative SGB V - ungeachtet der Personenkreiszugehörigkeit - von vornherein nicht zu, wenn die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorlagen, die Versicherungspflicht tatsächlich jedoch, z. B. wegen mangelnder Mitwirkung der betroffenen Person, nicht festgestellt worden ist. Diese Personen sind im Sinne einer konsequenten Systemabgrenzung für die Zeit des Arbeitslosengeld II-Bezuges (weiterhin) der GKV zuzuordnen



Hier wird es wirklich interessant:
1. Antrag auf ALG II am 29.08.2014
2. Abmeldung der Selbstständigkeit am 29.08.2014
3. ALG II Bezug (sofern bewilligt) rückwirkend zum 01.08.2014 (!)

Hier kann es kritisch werden, da der Anfang des ALG Bezugs mit der Selbstständigkeit kollidiert und somit Absatz 1 aus dem Rundschreiben greift - oder nicht? Das wirklich absurde ist ja, dass P am Tag der Antragsstellung wirklich nicht selbstständig war, der ALG II Bezug jedoch rückwirkend ist.

Was heißt denn konkret "hauptberuflich selbstständig"? Selbstständig trifft bei P zu, jedoch im Monat August 2014 mit einem Einkommen von 120,00 netto. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Konstellation "hauptberuflich erwerbslos und nebenberuflich selbstständig" gibt und ob sich auf diesem Wege Absatz 1 des Rundschreibens ausschließen lassen würde.

Edit:
Ich habe zur Definition von "hauptberuflich selbstständig" folgendes gefunden. Evtl. ist der folgende Link für einige von euch auch in anderer Hinsicht interessant.
http://www.tk.de/centaurus/servlet/cont ... aendig.pdf
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:34, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Dipling » 01.09.2014, 13:45

Grundsätzlich besteht bzw. bestand Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Nachzuzahlen wären ca. 43 EUR pro Monat innerhalb der Verjährungsfristen, d.h. ab 12/2009. Diese Regelung wurde zum 01.08.2013 wesentlich entschärft, vorher waren die Beiträge grundsätzlich voll nachzuzahlen - was gerade bei hauptberuflich Selbständigen schnell 5-stellige Nachforderungen nach sich zog. Seit der Neuregelung sind es innerhalb der Verjährungsfristen maximal noch 2000-2500 EUR.

Nun gibt es jedoch seit ca. 3 Jahren das o.g. Rundschreiben. Demnach ist die Mitgliedschaft bei ALG2-Bezug unabhängig vom beruflichen Status (daher ist das Datum der Gewerbeabmeldung auch nicht relevant) in der GKV auch dann einzutragen, wenn zuletzt eine GKV und damit Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestand, diese Nachversicherung jedoch nicht durchgeführt wurde. D.h. im Idealfall keinerlei Nachzahlungen. Deshalb sollte ein Antrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V - welcher die Nachzahlungsforderungen auslöst - nicht ausgefüllt werden.

In der Praxis ist es schwieriger, die Mitgliedschaft ohne Nachzahlungen eingetragen zu bekommen, weil die Kasse nicht selten zunächst eine andere Rechtsauffassung vertritt.

Siehe z.B.
http://www.vs-24.com/forum/viewtopic.php?p=31714

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Beitragvon tim|away » 04.12.2014, 15:05

Zwischenstand:

Die Barme* GEK hat sich geweigert eine Mitgliedsbescheinigung für das Jobcenter auszustellen, sofern fiktive Person P nicht den Antrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V unterschreibt.

P hat nach zahlreichen "scharfen" Briefen das Jobcenter tatsächlich dazu bewegen können, eine Anmeldung bei der Barme* GEK gem. § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V durchzuführen.

P erhielt nun folgendes Schreiben der Barme* GEK:

[...]vom Jobcenter erhielten wir eine Mitteilung über den Bezug von Leistungen ab 1.8.2014. Um feststellen zu können, ob aufgrund dieses Leistungsbezugs wieder eine Mitgliedschaft bei der Barme* GEK begründet werden kann, bitten wir um Ihre Mithilfe:

-Bei welchen Krankenkassen waren Sie nach dem Ende der Mitgliedschaftbeider Barme* GEK versichert?

Waren Sie in Ihrer letzten beruflichen Tätigkeit vor dem Leistungsbezug selbstständig tätig?

Einen Mitgliedschaftsantrag fügen wir bei.
[...]



In diesem Mitgliedschaftantrag werden Daten abgfragt, die der Barme* GEK längst bekannt sind (Renten-Nr, Anschrift, Berufsstatus, etc.) - bis auf die Vorversicherung: Wahrheitsgemäß müsste P angeben, dass er seit 2006 nicht mehr gesetzlich krankenversichert ist und zuvor Mitglied bei der Barme* GEK.

Meine Frage an dieser Stelle ist nun, ob das Ausfüllen des Mitgliedschaftsantrags unmittelbar Nachzahlungsbescheide auslöst bzw. ob andere Konsequenzen entstehen. Durch seine Unterschrift würde P ja bereits bestätigen, dass er nicht krankenversichert ist.

  • Wie sollte P sich verhalten?
  • Muss P den Mitgliedschaftsantrag überhaupt ausfüllen? Ich ging davon aus, dass das Jobcenter P bereits "angemeldet" hat und dies scheinbar geklappt hat.
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:37, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon tim|away » 13.12.2014, 11:38

Fiktive Person P hat nun den Mitgliedsantrag ausgefüllt, jedoch keine Anzeige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gemacht. In seinem Antwortschreiben hat P ebenfalls auf den Absatz des o.g. Rundschreibens verwiesen, wonach eine Mitgliedschaft während des ALG II Bezugs zu gewähren ist im Sinne der konsequenten Systemausgrenzung.

P bekam daraufhin folgendes Schreiben

Zur Beurteilung Ihres Antrags benötige ich noch weitere Angaben bzw. Erläuterungen.

Bitte teilen Sie uns schriftlich mit, was Sie in der Zeit von 2006 bis 2014 gemacht haben.

Sie geben an, dass Sie weder gesetzlich noch privat versichert waren. Da dies z.B. auch bei Anspruch auf Beihilfe oder freie Heilfürsorge der Fall sein kann, bitte ich um Bestätigung , wie bzw. dass Sie gar nicht versichert gewesen sind.

Bitte teilen Sie mir auch mit, ob eine selbstständige Tätigkeit vorlag und falls ja, bitte ich um Mitteilung des Zeitraums.


Die Krankenkasse stellt sich somit quer und hat P bisher nicht als Mitglied aufgenommen, obwohl die Meldung des Jobcenters an die Krankenkasse ging.

Es scheint als ob die Krankenkasse hier auf Zeit spielt und den Antrag weder ablehnt noch bestätigt. Hat die Krankenkasse eine rechtliche Grundlage so zu verfahren?

Wie kann P hier vorgehen?

Vielen Dank im Voraus für die hilfreichen Beiträge.
Zuletzt geändert von tim|away am 20.12.2014, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Dipling » 15.12.2014, 07:53

Die nachgefragten Angaben sind im Prinzip nicht nötig, da etwaige zwischenzeitliche Beihilfe ohne Restkostenversicherung, freie Heilfürsorge und Selbständigkeit nichts an der systematischen Zugehörigkeit zur GKV ändern würden. Dass die Barmer mit diesen Angaben eine Nachversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V "durch die Hintertür" durchführen könnte, würde ich jedenfalls nicht ausschließen.

Nimmt die Kasse weiterhin nicht auf, gibt es m.E. zwei Wege, die versucht werden können:
-Beschwerde bei der zuständigen Aufsichtsbehörde. Für die Barmer ist das Bundesversicherungsamt zuständig.
Siehe z.B.
http://www.bundesversicherungsamt.de/se ... erung.html

Hintergrund ist § 175 Abs. 2 a SGB V (auf den Paragraphen kann man die Kasse vorab ruhig mal hinweisen):
"(2a) Liegen der Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig abgelehnt hat oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, hat sie diesen Anhaltspunkten unverzüglich nachzugehen und die Krankenkasse zur Behebung einer festgestellten Rechtsverletzung und zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen zu verpflichten. Als rechtswidrig ist insbesondere eine Beratung durch die angegangene Krankenkasse anzusehen, die dazu führt, dass von der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 ganz abgesehen wird oder diese nur unter erschwerten Bedingungen abgegeben werden kann. Die Verpflichtung der Krankenkasse nach Satz 1 ist mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 50 000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbinden. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach den Sätzen 1 und 3 haben keine aufschiebende Wirkung. Vorstandsmitglieder, die vorsätzlich oder fahrlässig nicht verhindern, dass die Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig ablehnt oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, sind der Krankenkasse zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat."

-Zweite Möglichkeit:
Im Eilverfahren beim Sozialgericht eine einstweilige Anordnung auf Aufnahme erwirken.

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Beitragvon tim|away » 15.12.2014, 10:32

Danke für die hilfreiche Antwort, Dipling.

Fiktive Person P hat nun folgendes Schreiben aufgesetzt. Mal sehen, was draus wird.

---

Sehr geehrte Barme* GEK,

bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom xxx, bitte ich Sie Ihrer Pflicht nachzukommen und mir gem. §175 Abs. 2 SGB V unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen.

Ich habe mein Wahlrecht §175 SGB V ausgeübt und dies gegenüber dem Leistungsträger (Jobcenter) sowie der Krankenkasse (Barmer GEK) schriftlich eingereicht. Sie haben vom Leistungsträger die entsprechende Mitteilung bekommen. Gem. §175 Abs. 2 SGB V haben Sie unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Bisher ist dies aus unverständlichen Gründen nicht geschehen.

Ich weise ebenfalls darauf hin, dass die Mitgliedschaft während des Leistungsbezugs unabhängig von der Klärung der Vorversicherungszeiten ist. Insbesondere kann die Mitgliedschaft nicht von der vollständigen Klärung der Vorversicherungszeiten abhängig gemacht werden. Die Zeiten 2006 – 2014 können wir gern miteinander klären, nachdem Sie mir die Mitgliedsbescheinigung ausgestellt haben. Der Berufsstatus während dieser Zeit sowie ein Auslandsaufenthalt ändern ohnehin nichts an der aktuellen systematischen Zugehörigkeit zur GKV, in diesem Fall zur Barmer GEK.

Die Barmer GEK war meine letzte gesetzliche Krankenkasse und ich bin während des Leistungsbezugs weiterhin der GKV, und somit der Barmer GEK, zuzuordnen. Das entsprechende Rundschreiben des GKV Spitzenverbandes zur Regelung im Detail entnehmen Sie meinem vorherigen Schreiben.

Ich setze Ihnen letztmalig eine Frist bis zum 22. Dezember 2014, eine Mitgliedsbescheinigung an o.g. Adresse zu senden.

Sollten Sie weiterhin den Beitritt ohne rechtliche Grundlage erschweren bzw. verzögern, sehe ich mich gezwungen sowohl den Vorstand der Barmer GEK als auch das Bundesversicherungsamt von diesem Fall in Kenntnis zu setzen.


§175 SGB V – Ausübung des Wahlrechts

(1) Die Ausübung des Wahlrechts ist gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Diese darf die Mitgliedschaft nicht ablehnen oder die Erklärung nach Satz 1 durch falsche oder unvollständige Beratung verhindern oder erschweren. Das Wahlrecht kann nach Vollendung des 15. Lebensjahres ausgeübt werden.

(2) Die gewählte Krankenkasse hat nach Ausübung des Wahlrechts unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Hat innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden, kann die Mitgliedsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn die Kündigungsbestätigung nach Absatz 4 Satz 3 vorgelegt wird. Eine Mitgliedsbescheinigung ist zum Zweck der Vorlage bei der zur Meldung verpflichteten Stelle auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht unverzüglich auszustellen.

(2a) Liegen der Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig abgelehnt hat oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, hat sie diesen Anhaltspunkten unverzüglich nachzugehen und die Krankenkasse zur Behebung einer festgestellten Rechtsverletzung und zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen zu verpflichten. Als rechtswidrig ist insbesondere eine Beratung durch die angegangene Krankenkasse anzusehen, die dazu führt, dass von der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 ganz abgesehen wird oder diese nur unter erschwerten Bedingungen abgegeben werden kann. Die Verpflichtung der Krankenkasse nach Satz 1 ist mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 50 000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbinden. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach den Sätzen 1 und 3 haben keine aufschiebende Wirkung. Vorstandsmitglieder, die vorsätzlich oder fahrlässig nicht verhindern, dass die Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig ablehnt oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, sind der Krankenkasse zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.



Mit freundlichen Grüßen,
...

tim|away
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Beitragvon tim|away » 20.12.2014, 15:58

Fiktive Person P erhielt nun folgendes Antwortschreiben der Krankenkasse:

Aufgrund Ihrer derzeitigen Angaben müsste grundsätzlich eine Versicherung ab 01.04.2007 durchgeführt werden und diese kann dann selbstverständlich ab dem 01.08.2014 aufgrund Ihres Leistungsbezugs fortgesetzt werden. Einen Antrag gem. §5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V für die Versicherung ab 01.04.2007 ich Ihnen vorsorglich bei.

Diese Versicherungspflicht gem. §5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kommt nicht zum Tragen, wenn Sie keine Angaben machen und die Versicherungspflicht demzufolge nicht festgestellt werden kann.

Eine Versicherungspflicht aufgrund Ihres Leistungsbezugs ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Eine Versicherungspflicht nach §5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V tritt nicht ein, wenn Sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen sind und zu den in Abs. 5 (hauptberufliche Selbstständige) oder den in §6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören bzw. bei Ausübung einer Tätigkeit im Inland gehört hätten.

Ich verweise zudem auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.07.2013 im Hinblick au den Begriff "unmittelbar".

Es ist demzufolge entscheidend, ob Sie selbstständig tätig sind bzw. bis vor kurzem waren oder eben nicht. Diese Angaben werden für die Entscheidung über die Versicherungspflicht und demzufolge den Beginn der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse zwingend benötigt. Da wir diese Angaben von Ihnen noch nicht erhalten haben, konnte bisher noch keine Mitgliedsbescheinigung ausgestellt werden.

Ich bitte Sie aufgrund o.g. Erläuterungen mir noch einmal explizit schriftlich mitzuteilen, dass Sie nicht selbstständig tätig gewesen sind (bzw. mir ggf. das Ende Ihrer Selbstständigkeit nachzuweisen) und dass Sie nicht privat krankenversichert waren. Sofern Sie uns zudem noch mitteilen, dass Sie zur Klärung der vorherigen Zeiten ab 01.04.2007 keine Angaben machen, kann die Mitgliedschaft ab dem 01.08.2014 eingetragen werden.




Die Mitarbeiterin der Krankenkasse scheint das Rundschreiben immer noch nicht gelesen zu haben oder sehe ich hier was falsch? Die Selbstständigkeit würde überhaupt nicht als Ausschlussgrund in Frage kommen, oder doch?

Ist eine explizite schriftliche Erklärung, dass man nicht an der Klärung der vorherigen Zeiten mitwirkt, wirklich erforderlich?

In diesem fiktiven Beispiel sollte es doch überhaupt keine Rolle spielen, ob Person P selbstständig war oder nicht, oder bis wann. Gibt es hier ein neues Rundschreiben oder ist der Dame das Rundschreiben von 2011 nicht bekannt?

Dipling
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Beitragvon Dipling » 21.12.2014, 16:15

Das Rundschreiben ist m.E. unverändert gültig. Darauf, ob hauptberufliche Selbständigkeit vorlag, kommt es daher nicht an.
Allerdings darf zuletzt keine private Versicherung bestanden haben, diese Bestätigung kann die Kasse verlangen.
Die Verweigerung der Mitwirkung hinsichtlich der Feststellung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist eigentlich offensichtlich.

Aus dem Rundschreiben:
(2) Auf Personen, die taggenau vor Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II tatsächlich weder gesetzlich noch privat versichert waren, zuletzt jedoch der GKV angehörten, treffen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 a zweite Alternative SGB V - ungeachtet der Personenkreiszugehörigkeit - von vornherein nicht zu, wenn die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorlagen, die Versicherungspflicht tatsächlich jedoch, z. B. wegen mangelnder Mitwirkung der betroffenen Person, nicht festgestellt worden ist. Diese Personen sind im Sinne einer konsequenten Systemabgrenzung für die Zeit des Arbeitslosengeld II-Bezuges (weiterhin) der GKV zuzuordnen.
->auch hauptberuflich Selbständige sowie versicherungsfreie Personen werden aufgrund ALG2-Bezuges pflichtversichert, sofern zuletzt eine GKV bestand.

§ 5 Abs. 5 a SGB V:
(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte
-> Der markierte Ausschluss greift gemäß Rundschreiben nicht.

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Beitragvon tim|away » 21.12.2014, 16:29

Danke für die Antwort, Dipling.

Ich kann deinen Erklärungen folgen, frage mich jedoch wie im Zweifelsfall das Rundschreiben ein aktuelles Gesetz außer Kraft setzen soll. Bei dem Rundschreiben scheint es sich um verbindliche Handlungsempfehlungen zu handeln, die jedoch - wie du erwähnst - § 5 Abs. 5 a SGB V widersprechen. Hat das Gesetz im Zweifelsfall nicht den Vorrang? Ein Gericht könnte sich ja schließlich auch nur auf Gesetze beziehen.

Rossi erwähnte ebenfalls, dass § 5 Abs. 5 a SGB V in diesem Fall nicht schädlich sei, begründete leider bisher jedoch nicht, wie das Rundschreiben über dem Gesetz steht.

Weiterhin wäre in diesem Fall zu klären, ob es eine Rolle spielt, dass das Wahlrecht nach §175 SGB V ausgeübt wurde. Die Krankenkasse wurde gewählt und der Leistungsträger hat den Leistungsempfänger bei der Krankenkasse angemeldet. Hier wäre meines Erachtens lediglich die Abmeldung der letzten Krankenkasse nachzuweisen. Da in den letzten 18 Monaten keine Versicherung vorlag, entfällt dieser Nachweis. Ist es überhaupt möglich für eine Krankenkasse dem Wahlrecht gem. §175 SGB V eines Mitglieds mit § 5 Abs. 5 a SGB V zu begegnen oder *muss* die Mitgliedschaft in jedem Fall eingetragen werden?


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