Grundsicherung- Basistarif PKV- unterschiedliche Handhabung

Erfahrungsberichte, Beitragserhöhungen, Versicherungspflicht, gesetzlich oder privat, usw.

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Rossi
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Beitragvon Rossi » 16.04.2010, 20:38

Rolien, Du hast echt Glück, dass Du im Einzugsgebiet des LSG Bremen-Niedersachsen wohnst.

Im ALG II scheint wohl eine Kehrtwende einzutreten. Viele LSG lassen die SGB II Kunden im Regen stehen und des wird nur der gedeckelte Beitrag im ALG II gezahlt.

Guckst du hier; LSG Hamburg:

http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=128616&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive

technomancer
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Beitragvon technomancer » 17.04.2010, 12:37

Hi,

darf man die Begründung so verstehen dass die Zahlung der vollen Hälfte des Basistarifs abelehnt wurde weil die PKV ja trotzdem die Leistung erbringen muss auch wenn man mit den Beiträgen im Rückstand ist ?
Das würde ja bedeuten dass man sich immer mehr verschulden muss, oder ?
Was würde denn in so einem Fall passieren wenn man noch Schonvermögen hat ? Müsste die Beitragsdeckungslücke dann aus daraus betritten werden ?

Thx,
techno

Rossi
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Beitragvon Rossi » 17.04.2010, 18:24

darf man die Begründung so verstehen dass die Zahlung der vollen Hälfte des Basistarifs abelehnt wurde weil die PKV ja trotzdem die Leistung erbringen muss auch wenn man mit den Beiträgen im Rückstand ist ?


Jawoll, so ist es!

Das würde ja bedeuten dass man sich immer mehr verschulden muss, oder ?


Jenes hast Du auch richtig erkannt. Dem Grunde nach stellen die derzeitigen Regelungen eine staatlich verordnete Verschuldung dar.



Was würde denn in so einem Fall passieren wenn man noch Schonvermögen hat ?


Die priv. Kv. wird gegen Dich die Zwangsvollstreckung betreiben und schups die dups ist das Schonvermögen, welches Du im ALG II haben darfst, futschi.

Hast Du ein geschütztes Haus, wird die PKV vermutlich darauf auch zurückgreifen und die Forderung grundbuchlich sichern. Vielleicht sogar irgendwann ne Zwangsversteigerung.

Wir leben in Deutschland, es ist ein moderener Sozialstaat. Die Politiker kaspern schon seit über 1 Jahr herum und bekommen es nicht gebacken!!

Vergil09owl
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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 21:22

SG Karlsruhe Urteil vom 10.08.2009 - S 5 AS 2121/09
Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Zuschuss zum Beitrag für eine private Krankenversicherung ab 1.1.2009. Ausschluss von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. analoge Anwendung des § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB 2. Übernahme des halbierten Beitrages im Basistarif in voller Höhe. keine ergänzende Sozialhilfe. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz

Ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der wegen § 5 Abs 5a SGB 5 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, sondern im sog Basistarif bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, hat gegenüber dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Anspruch auf Übernahme seines gesamten Krankenversicherungsbeitrags, wenn er diesen mangels Einkommens nicht absetzen kann und der Beitrag bereits nach § 12 Abs 1c S 4 VAG um die Hälfte vermindert ist; sein Anspruch ist dann nicht auf den in § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG genannten Betrag begrenzt.
Orientierungssatz

Ansprüche gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 32 Abs 5 SGB 12 oder § 73 SGB 12 bestehen nicht.
Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 9.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2009 verpflichtet, den Bescheid vom 29.1.2009 zu ändern und dem Kläger einen weiteren Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand

Streitig ist die Höhe eines Zuschusses zum Beitrag für eine private Krankenversicherung.

Der am … 1952 geborene Kläger war seit dem 1.3.2008 bei der S. Krankenversicherung a. G. zum sog. Basistarif privat krankenversichert. Sein (wegen Hilfebedürftigkeit verminderter) Beitrag betrug seit dem 1.1.2009 monatlich 284,82 EUR.

Auf Antrag des Klägers vom 20.1.2009 bewilligte ihm die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 29.1.2009 für die Zeit vom 20.1. - 30.6.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sowie Zuschüsse zu den Beiträgen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung; den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag setzte sie für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 auf 51,82 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 auf monatlich 129,54 EUR fest.

Am 7.4.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids. Der Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag müsse erhöht werden, so der Kläger. Denn er zahle einen monatlichen Beitrag in Höhe von 284,82 EUR; hiervon habe die Beklagte nur einen Teil übernommen.

Mit Bescheid vom 9.4.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Zur Begründung gab sie an, ein höherer Zuschuss sei nicht möglich. Der Beitrag nach dem halben Basistarif in der privaten Krankenversicherung übersteige regelmäßig den gesetzlichen Zuschuss. Den Differenzbetrag könne der Hilfebedürftige gemäß § 11 Abs . 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen absetzen. Verfüge er über kein Einkommen, könne allerdings eine Deckungslücke entstehen. Für den Ausgleich dieser Lücke durch die Grundsicherungsträger bestehe indes keine rechtliche Grundlage.

Hiergegen legte der Kläger am 21.4.2009 Widerspruch ein. Er machte geltend, zwischen dem von ihm geschuldeten Krankenversicherungsbeitrag und dem Zuschuss der Beklagten bestehe eine Differenz in Höhe von 155,28 EUR. Müsste er diese Unterdeckung durch Rückgriff auf die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 351 EUR ausgleichen, blieben ihm für den Lebensunterhalt nur noch monatlich 195,72 EUR. Die Grundsicherung wäre damit nicht mehr gewährleistet. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber dieses Ergebnis gewollt habe. Eine Alternative zur privaten Krankenversicherung bestehe für ihn nicht. Denn eine Rückkehr in eine gesetzliche Krankenversicherung sei ihm nicht möglich. Er benötige im Übrigen zwingend Medikamente, die nicht billig seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.5.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II gälten für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, die Regelungen des § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 VAG. Nach dem hier einschlägigen § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG zahle der zuständige Träger nur den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Dies seien gemäß § 232a Abs . 1 Satz 1 Nr. 2 und § 246 SGB V monatlich 129,54 EUR. Für einen höheren Zuschuss zum Ausgleich der Deckungslücke bestehe keine gesetzliche Grundlage.

Mit der am 12.5.2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Er trägt ergänzend vor, mittlerweile habe ihm die S. Krankenversicherung a. G. das Ruhen seines Krankenversicherungsschutzes angedroht, sofern er nicht kurzfristig seinen Beitragsrückstand ausgleiche. Der Beitragsrückstand beruhe letztlich darauf, dass die von der Beklagten bewilligten Leistungen nicht ausreichten, um die Kosten für seinen Lebensunterhalt, seine Versicherungsbeiträge und die von ihm erwarteten Bewerbungen (ca. 30 EUR pro Monat) zu decken. Im Falle des Ruhens seines Krankenversicherungsschutzes trete für ihn eine bedrohliche Situation ein. Denn im Jahr 2008 habe er einen Herzinfarkt erlitten. Er sei daher auf regelmäßige Nachuntersuchungen und Medikamente angewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2009 zu verpflichten, den Bescheid vom 29.1.2009 zu ändern und ihm einen weiteren Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

1) Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 29.1.2009 und Gewährung eines weiteren Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 56,94 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs . 1 Satz 1 SGB X).

So verhält es sich hier. Zu Unrecht hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.1.2009 den Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 auf 51,82 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 auf monatlich 129,54 EUR begrenzt; richtigerweise hätte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 einen Zuschuss in Höhe von 113,93 EUR und für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 284,82 EUR bewilligen müssen.

Der Anspruch des Klägers in dieser Höhe ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs . 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II (i. d. F. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl. I Seite 378 / GKV-WSG). Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag übernommen.

a) Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder versicherungspflichtig noch familienversichert.

Gemäß § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Hiervon ausgenommen sind allerdings diejenigen, die unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert waren ( § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V i. d. F. des GKV-WSG); diese Personen sollen ab dem 1.1.2009 dem Kreis der Privatversicherten zugeordnet bleiben ( Just in: Becker/Kingreen , SGB V, § 5 Rdnr. 22; Baier in; SozKV, § 5 SGB V Rdnr. 20). Nur bei Personen, die bereits am 31.12.2008 nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren, wird aus Gründen des Vertrauensschutzes die Pflichtversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit fortgesetzt (vgl. § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V i. d. F. des GKV-WSG).

Gemessen hieran war der Kläger nicht gemäß § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. Denn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II (der am 20.1.2009 begann, also erst nach dem 31.12.2008) war er bei der S. Krankenversicherung a. G. privat krankenversichert.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V .

b) Der Kläger war zwar - entgegen dem Wortlaut des § 26 Abs . 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II - im streitigen Zeitraum nicht freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sondern privat krankenversichert; die Regelung ist hier aber analog anwendbar.

Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus, zum anderen eine gleichartige Interessenlage: Der lückenhaft geregelte Sachverhalt muss dem geregelten so ähnlich sein, dass der Gesetzgeber ihn, hätte er die Regelungslücke erkannt, in gleicher Weise geregelt hätte (BSGE 83, 68, 71; 89, 199, 202 f.; 96, 257 Rdnr. 14).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:

aa) Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.

Eine solche Lücke besteht in erster Linie, wenn das Gesetz - gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers - unvollständig ist. Sie kann aber auch vorliegen, wenn das Gesetz zwar eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt oder sich in dem System, in dem sie enthalten ist, als Fremdkörper erweist. Solche Systemwidrigkeiten können z. B. nachträglich durch Gesetzesänderungen eintreten. Die dadurch entstehende Regelungslücke ist dann durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen (BSGE 82, 68, 71 f.).

Im vorliegenden Fall existiert zwar mit § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSK) eine nach ihrem Wortlaut einschlägige Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung; ihre wortgetreue Anwendung würde aber zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil seiner Beiträge führen:

(1) Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein.

Bis zum 31.12.2008 waren Bezieher von Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V generell in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Den pflichtversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 53). Denn gemäß § 251 Abs . 4 SGB V trägt der Bund deren Beiträge. Bei der Übernahme der Beiträge handelt es sich um eine Annexleistung zu den Leistungen nach dem SGB II ( Knickrehm in: Eicher/Spellbrink , SGB II, 2. Aufl., § 26 Rdnr. 5).

Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen waren bis zum 31.12.2008 lediglich diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem ausdrücklichen Willen, von der Versicherungspflicht befreit waren (vgl. § 8 Abs . 1 Nr. 1a SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I Seite 2954). Diese Personen erhielten gemäß § 26 Abs . 2 Satz 1 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818) vom zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Zuschuss zu den Beiträgen, die sie für eine private Krankenversicherung zahlten. Zwar war dieser Zuschuss auf die Höhe des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre (vgl. § 26 Abs . 2 Satz 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818); er deckte also nicht zwingend den gesamten Beitrag für die private Krankenversicherung ab. Dies war aber im Ergebnis unproblematisch. Denn eine etwaige Differenz zwischen dem Zuschuss und dem Beitrag basierte stets auf der eigenen willentlichen Entscheidung des Hilfebedürftigen, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen. Praktisch dürften von der Möglichkeit einer Befreiung nur diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II Gebrauch gemacht haben, deren Beitrag für die private Krankenversicherung unter oder jedenfalls nur geringfügig über der Grenze des § 26 Abs . 2 Satz 2 SGB II lag.

Seit dem 1.1.2009 sind nun gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bestimmte Bezieher von Arbeitslosengeld II von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob dies ihrem Willen entspricht. Betroffen ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs . 5 SGB V oder den in § 6 Abs . 1 und 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Nach der Begründung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen: da die privaten Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheine es nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks. 16/3100 Seite 94 f. - zu § 5 SGB V ). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 Seite 207- zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der “Bezahlbarkeit des Basistarifs„ (BT-Drucks., a. a. O.,) gewährleistet. Der in § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II neu geregelten Verweisung auf § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine formal-technische Bedeutung bei. Denn er rechtfertigt sie allein mit “Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit„ (BT-Drucks. 16/4247 Seite 60 - zu § 26 SGB II).

Vor diesem Hintergrund entspricht es weiterhin der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, für Bezieher von Arbeitslosegeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, ohne sie gegen ihren Willen mit Beiträgen zu belasten.

(2) Bei wortgetreue Anwendung der seit dem 1.1.2009 geltenden gesetzlichen Regelungen würde die vom Gesetzgeber intendierte Rechtsfolge im vorliegenden Fall verfehlt. Denn ohne dass der Kläger dies will, müsste er den überwiegenden Teil seines Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von monatlich 284,82 EUR selbst tragen:

(a) Ausgehend vom Wortlaut des § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSG) hätte die Beklagte nur einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 129,54 EUR zu leisten.

Nach dieser Vorschrift gilt für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die - wie der Kläger - in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 VAG. Gemäß dem hier maßgeblichen § 12 Abs . 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG zahlt der zuständigen Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung gelten als beitragpflichtige Einnahmen bei Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, der 30. Teil des 0,345-fachen der monatlichen Bezugsgröße (§ 232a Abs . 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ), im streitigen Zeitraum mithin monatlich 869,40 EUR. Der maßgebliche Beitragssatzes betrug 14,9 % (§ 246 i. V . m. § 243 SGB V und § 2 GKV-BSV vom 29.10.2008).

Hieraus ergäbe sich ein Zuschuss in Höhe von (nur) 129,54 EUR, also in der von der Beklagten festgesetzten Höhe.

(b) Gegenüber dem beigeladenen Sozialhilfeträger hat der Kläger keinen Anspruch darauf, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten auszugleichen.

(aa) § 32 Abs . 5 Satz 1 SGB XII scheidet als Anspruchsgrundlage aus.

Zwar übernimmt der Sozialhilfeträger nach dieser Vorschrift die Aufwendungen für eine Krankenversicherung bei einem (privaten) Versicherungsunternehmen, soweit sie angemessen und die Voraussetzungen des § 19 Abs . 1 SGB XII (Hilfebedürftigkeit) erfüllt sind; “angemessen„ sind gegebenenfalls auch Aufwendungen, die über die in § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG normierte Grenze hinausgehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.6.2009, L 2 SO 2529/09 ER-B; Beschluss vom 8.7.2009, L 7 SO 2453/09 ER-B).

Gemäß § 5 Abs . 2 Satz 1 SGB II schließt aber ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII aus. Das Dritte Kapitel des SGB XII umfasst die §§ 27 - 40, also u. a. den § 32 Abs . 5 Satz 1 SGB XII.

Der Kläger bezog im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Angesichts dessen kann er sich nicht auf § 32 Abs . 5 Satz 1 SGB II berufen.

(bb) Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem beigeladenen Sozialhilfeträger ergibt sich auch nicht aus § 73 Satz 1 SGB XII. Zwar ist diese Vorschrift hier grundsätzlich anwendbar (dazu (aaa)); ihre Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt (dazu (bbb)).

(aaa) § 5 Abs . 2 Satz 1 SGB II steht der Anwendung des § 73 Satz 1 SGB XII (anders als der Anwendung des § 32 Abs . 5 Satz 1 SGB XII) nicht entgegen. Denn § 73 Satz 1 SGB II findet sich nicht im Dritten, sondern im Neunten Kapitel des SGB XII. Auch Bezieher von Arbeitslosengeld II können daher prinzipiell Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Satz 1 SGB XII beanspruchen (vgl. BSGE 97, 242 Rdnr. 21).

(bbb) Gemäß § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen (vom Sozialhilfeträger) auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Als “sonstige Lebenslagen„ komme indes nur atypische Bedarfslagen in Betracht, die nicht bereits durch andere Vorschriften des SGB XII erfasst sind (BSG, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 Rdnr. 24). Wie unter (aa) ausgeführt, regelt § 32 Abs . 5 Satz 1 SGB XII die Übernahme der Aufwendungen für eine private Krankenversicherung. Angesichts dessen lässt sich die hier streitige Problematik nicht als atypische “sonstige Lebenslage„ werten.

(c) Der Kläger hatte auch keine zumutbare Möglichkeit, die Lücke zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten selbst zu schließen:

(aa) eine (weitere) Reduzierung seines Krankenversicherungsbeitrags war ausgeschlossen.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei der S. Krankenversicherung a. G. im sog. Basistarif versichert, dessen Vertragsleistungen gem. § 12 Abs . 1a Satz 1 VAG in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V vergleichbar sind. Angesichts der Beschränkung der Vertragsleistungen auf das Notwendigste bestand für den Kläger keine Möglichkeit, den Beitrag durch Kündigung etwaiger Tarife für entbehrliche Zusatzleistungen zu senken.

Wie generell in der privaten Krankenversicherung, so orientiert sich auch beim sog. Basistarif die Höhe der Prämien nicht am Erwerbseinkommen des Versicherungsnehmers, sondern am individuellen Versicherungsrisiko, das sich insbesondere aus Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen ergibt (BVerfG, NJW 2009, 2033 Rdnr. 156). Auf diese Faktoren hat der Kläger naturgemäß keinen Einfluss. Sie sind indes der Grund dafür, warum der (ältere und herzkranke) Kläger trotz beengter finanzieller Verhältnisse einen recht hohen Beitrag zahlen musste.

Von der durch § 12 Abs . 1c Satz 6 Halbsatz 1 i. V . m. Satz 4 VAG eröffneten Möglichkeit, den Krankenversicherungsbeitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II um die Hälfte zu vermindern, hatte der Kläger bereits aus eigener Initiative Gebrauch gemacht. Sein monatlicher Beitrag reduzierte sich dadurch von 582,80 EUR auf 284,82 EUR. Den Antrag des Klägers auf eine weitere Reduzierung hatte die S. Krankenversicherung a. G. mit Schreiben vom 31.3.2009 ausdrücklich abgelehnt.

(bb) Dem Kläger war es auch nicht möglich, den ungedeckten Teil seines Beitrags zur privaten Krankenversicherung nach § 11 Abs . 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen abzusetzen. Denn im streitigen Zeitraum verfügte er über kein Einkommen.

(cc) Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses seitens der Beklagten aus der ihm bewilligten Regelleistung zu begleichen.

Gemäß § 20 Abs . 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile), Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Auch Aufwendungen für die Gesundheitspflege muss der Hilfebedürftigen mit der Regelleistung bestreiten, allerdings nur in begrenztem Umfang: Der Regelleistung zugerechnet werden im wesentlichen diejenigen Aufwendungen, die ein Versicherter nach dem SGB V selbst tragen muss, also z. B. Kosten für Praxisgebühr, Zuzahlungen und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (vgl. die Abteilung 06 der sog. Einkommens- und Verbrauchstichprobe, an der sich der Gesetzgeber bei Festlegung der Höhe der Regelleistung orientiert hat, BT-Drucks. 15/1516 Seite 56; dazu auch Spellbrink in: Eicher/Spellbrink , a. a. O., § 20 Rdnr. 29; Däubler , NZS 2005, 225, 229). Nicht von der Regelleistung umfasst sind hingegen die Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge (vgl. den tabellarischen Überblick des Gesetzgebers über den zu sichernden Bedarf, BT-Drucks. 15/1516 Seite 55: “Pauschale Regelleistungen jeweils zuzüglich ... die zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung„). Für die Übernahme dieser Aufwendungen hat der Gesetzgeber mit § 26 Abs . 2 SGB II und § 251 Abs . 4 SGB V eigenständige Rechtsgrundlagen vorgesehen.

(dd) Ein Verzicht des Klägers auf seinen Krankenversicherungsschutz kommt nicht in Betracht. Denn zum einen ist eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art. 1 Abs . 1 und Art. 20 Abs . 1 GG geschützten Existenzminimums (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 31). Zum anderen ist der Kläger gemäß § 193 Abs . 3 Satz 1 VVG verpflichtet, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten.

bb) Hätte der Gesetzgeber die Regelungslücke - die hier zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge führt - erkannt, hätte er die Übernahme der Beiträge von Beziehern von Arbeitslosengeld II, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, mutmaßlich ähnlich geregelt wie bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind; denn die Interessenlage ist bei beiden Personengruppen gleich. Dies rechtfertigt eine analoge Anwendung des § 26 Abs . 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II.

Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs “der Beitrag übernommen„. Anders als § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II i. V . m. § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 VAG sieht § 26 Abs . 2 Nr. 2 SGB II also keine betragsmäßige Begrenzung der Beitragübernahme vor. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist indes nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Interessenlage von privat krankenversicherten und freiwillig gesetzlich krankenversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II identisch: Beide Personengruppen müssen mangels Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung selbst für den Fall der Krankheit vorsorgen. Angesichts dessen erscheint es möglich und geboten, die - nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene - Vorschrift des § 26 Abs . 2 Nr. 2 SGB II hier entsprechend anzuwenden und auf diese Weise der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (Krankenversicherungsschutz der Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Beitragstragung) gerecht zu werden.

c) Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag des Klägers betrug im streitigen Zeitraum 284,82 EUR. Ausgehend von der Verpflichtung der Beklagten, diesen Beitrag in vollem Umfang zu übernehmen, konnte der Kläger somit (neben seiner Regelleistung) für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 monatlich 284,82 EUR beanspruchen; für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 betrug sein Anspruch 113,93 EUR (= 12/30 von 284,82 EUR; vgl. zu dieser Berechnungsweise Conradis in: LPK- SGB II, 2. Aufl., § 41 Rdnr. 5; Eicher in: Eicher/Spellbrink , a. a. O., § 41 Rdnr. 10).

Bewilligt hat die Beklagte demgegenüber (neben der Regelleistung) für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 nur monatlich 129,54 EUR und für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 nur 51,82 EUR.

Hieraus folgt ein restlicher Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1.2. - 30.6.2009 in Höhe von monatlich 155,28 EUR und für die Zeit vom 20. - 31.1.2009 in Höhe von 62,11 EUR. Da der Kläger indes für Januar 2009 lediglich einen weiteren Zuschuss in Höhe von 56,94 EUR beantragt hatte, konnte die Kammer nicht mehr zusprechen als beantragt war (vgl. Keller in; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , SGG, 9. Aufl., § 123 Rdnr. 4).

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 21:26

SG Berlin Urteil vom 27.11.2009 - S 37 AS 31127/09
Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II-Bezieher. Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung. Höhe des Beitragszuschusses. Beschränkung auf den Betrag gesetzlich Krankenversicherter. Bedarfsunterdeckung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz

Die Begrenzung des Zuschusses auf den für pflichtversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nach § 5 Abs 1 Nr 2a iVm §§ 232a, 243 SGB 5 zu entrichtenden Beitrag zu den Versicherungsbeträgen für eine private Krankenversicherung (§ 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c VAG) ist nicht verfassungswidrig, da das im Zusammenhang zu sehende Regelungsgefüge der §§ 192ff VVG, des § 26 SGB 2 und des § 12 VAG weder gegen das aus Art 1, Art 20 GG folgende Gebot einer ausreichenden medizinischen Versorgung hilfebedürftiger Personen verstößt, noch verletzt es wegen der Inkaufnahme auflaufender Beitragsschulden bei Anordnung einer Versicherungspflicht Art 2 GG. Auch eine willkürliche Besserstellung von GKV-Beziehern, Beziehern eines Zuschusses, der allein zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit gezahlt wird oder Beziehern von Leistungen nach dem SGB 12 ist nicht festzustellen.
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe Beiträge zur privaten Krankenversicherung vom SGB II-Träger zu übernehmen sind, wenn auch ohne die Beitragslast Hilfebedürftigkeit besteht.

Der 1980 geborene Kläger beantragte am 23. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II. Sein seit 2005 betriebenes Gewerbe als selbständiger Versicherungsvertreter, aus dem er im Jahr 2008 nur sehr geringe Einnahmen erzielt hatte, meldete er zum 30.6.2009 ganz ab. In der Gewerbe-Abmeldung werden als Grund für die Betriebsaufgabe “gesundheitliche Probleme„ genannt.

Der ledige, allein lebende Kläger ist bei der DKV privat kranken- und pflegeversichert. Der Beitrag zum Voll-Krankenversicherungsschutz im Normaltarif beträgt 280,61 EUR, dazu kommen eine Krankentagegeld- und eine Zusatzversicherung für Rehabilitationsleistungen mit einem Monatsbeitrag von 24,93 EUR. Der Beitrag zur privaten Pflegeversicherung beträgt 16,32 EUR monatlich.

Bereits vor Eintritt in den Alg II-Bezug - Alg II ist mit Bescheid vom 6.7.2009 für die Zeit vom 23.9. bis 31.12.2009 bewilligt worden - hatte der Kläger Beitragsschulden in Höhe von 965,58 EUR angehäuft.

Zur Bearbeitung seines Antrags auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung war der Kläger von der Beklagten aufgefordert worden, einen Nachweis über die Höhe des Beitrags im Basistarif nachzuweisen. In einem Schreiben der DKV vom 6. Juli 2009 wurde die Ermittlung eines fiktiven Beitrags im Basistarif mit der Begründung zurückgewiesen, alle Beiträge im Basistarif ohne Selbstbehalt lägen auch halbiert unter dem vom SGB II-Träger für privat krankenversicherte Hilfebedürftige maximal zu leistenden Zuschuss von 129,54 EUR (seit 1.7.2009 124,32 EUR). Ein Wechsel des Tarifs erscheine daher nicht sinnvoll.

Gegen den vom Beklagten mit Änderungsbescheid vom 6.7.2009 festgesetzten Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR (der Zuschuss zur Pflegeversicherung ist in voller Höhe übernommen worden) hat der Kläger, der bislang noch im Normaltarif geblieben ist, nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2009) am 16.9.2009 Klage erhoben.

Er macht geltend, infolge der Versicherungspflicht zur Privaten Krankenversicherung (PKV) und des verschlossenen Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse für Hilfebedürftige mit privatem KV-Schutz der volle Beitrag übernommen werden. Anderenfalls drohe eine massive Verschuldung und ein Ausfall des Versicherungsschutzes. Dazu hat der Kläger ein Schreiben der DKV vom 19.11.2009 vorgelegt, wonach die Zusatzversicherungen wegen Zahlungsverzug gekündigt seien. Für die Krankheitskostenversicherung ruhe derzeit der Versicherungsschutz. Gleichzeitig steige die Beitragsforderung - im November 2009 schon 1.725,01 EUR - stetig an.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6.7.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2009 zu verurteilen, den vollen KV-Beitrag von 280,61 EUR zu übernehmen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Gewährung eines höheren Zuschusses besteht nach § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II i. V . m. § 12 Abs . 1c VAG nicht. Eine erweiternde Auslegung ist wegen des klaren Wortlauts der Regelung nicht möglich. Es besteht auch keine von den Gerichten zu schließende Gesetzeslücke oder ein ergänzender Anspruch nach §§ 32, 73 SGB XII.

Die Begrenzung des Zuschusses auf den für pflichtversicherte Alg II-Bezieher nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V i. V . m. §§ 232a, 243 SGB V zu entrichtenden Beitrag ist nicht verfassungswidrig.

Seit 1.1.2009 sind Bezieher von Alg II, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren, wie hier der Kläger, nicht mehr automatisch über den Alg II-Bezug in der GKV pflichtversichert. Die Übergangsregelung nach § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB II kommt dem Kläger, der erstmals im Juni 2009 Alg II beantragte, nicht zugute.

Die Voraussetzungen für einen freiwilligen Beitritt zur GKV nach § 9 SGB V sind ebenso wenig erfüllt wie die Bedingungen für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V .

Versicherungsschutz kann der Kläger somit nur in der PKV erlangen, seit 1.1.2009 ist er überdies zum Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages im Umfang von Leistungen, die denen eines Pflichtversicherten in der GKV entsprechen bzw. zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung verpflichtet (§ 193 Abs . 3 VVG).

Infolgedessen hat er nach § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II einen Anspruch auf einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen. Die Höhe dieses Zuschusses ist in § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG genau festgelegt worden: “der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist„.

Seit 1.7.2009 sind als Folge der Herabsetzung des allgemeinen GKV-Beitragssatzes von 14,9% auf 14,3% für pflichtversicherte Alg II-Bezieher 124,32 EUR für die Krankenversicherung aufzuwenden.

Der Beklagte hat den Beitragszuschuss daher korrekt auf 34,54 EUR (anteilig für Juni 2009 aus dem bis Juni 2009 zu entrichtenden Pflichtbeitrag von 129,54 EUR) und auf 124,32 EUR monatlich für den Bewilligungsabschnitt Juli bis Dezember 2009 begrenzt.

Eine Auslegung von § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG dahingehend, dass der SGB II-Träger einen Zuschuss bis in Höhe des halben Basistarifes zu erbringen hat - hierauf muss der Versicherer den Beitrag bei Eintritt von Hilfebedürftigkeit absenken - ist nicht möglich. Der eindeutige Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung (Bundesverfassungs-gericht [BVerfG], E 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81). Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist unzulässig.

Die vom Kläger angestrebte volle Beitragsübernahme lässt sich auch nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung realisieren. Denn dies setzte voraus, dass das Gesetz insoweit lückenhaft ist, es also angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig ist - die Gerichte also nur das vom Gesetzgeber versehentlich unterbliebene Regelungsstück einfügen müssen (s. z. B. BSG vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R m. w. Nachw.) Eine derartige planwidrige Lücke weist das Regelungsgefüge des § 26 SGB II i. V .m. § 12 VAG aber nicht auf. Dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens (s. etwa das im Beschluss des LSG NRW - L 20 B 56/09 SO ER erwähnte Schreiben des BMAS vom 4.8.2008) und der nachfolgenden Debatte zur “Beitragslücke„ (aufschlussreich dazu BT-Plenarprotokoll der 230. Sitzung vom 2.7.2009 zu Tagesordnungspunkt 45, 25925) lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Lücke zwar gesehen, aber mangels Einigung, wie diese Problematik geregelt werden soll - im System der PKV oder zu Lasten der Allgemeinheit - nicht geschlossen wurde (zutreffend Brünner, LPK- SGB II, 3. Aufl. Rdnr. 21). In einer solchen Situation und einer in verschiedene Richtungen lösbaren Schließung der Beitragslücke ist den Gerichten eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Entscheidung verwehrt (a. A. LSG Baden-Württemberg vom 16.9.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B, das eine erkennbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers im Sinne einer vollen Beitragsübernahme seitens der SGB II-Träger annimmt).

Schließlich ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht über einen Analogieschluss zu erreichen. Die allenfalls denkbare Analogie zu § 26 Abs . 2 Nr. 2 SGB II (Übernahme des Beitrags für freiwillig in der GKV versicherte Hilfebedürftige) führte zu keinem höheren Zuschuss. Denn § 26 Abs . 2 Nr. 2 SGB II betrifft nur Sozialgeldbezieher (nicht erwerbsfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II), die sich in der GKV schon mit einem Beitrag von 120,12 EUR (seit 1.7.2009) versichern können. Der Mindestbeitrag für hauptberuflich Selbständige nach § 240 Abs . 3 Satz 3 SGB V (281,61 EUR) kann dagegen keine Referenzgröße für einen Beitragszuschuss nach § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II abgeben, weil hauptberuflich Selbständige, die in der GKV geblieben sind, im Fall der Hilfebedürftigkeit Alg II erhalten und die Pflichtversicherung über den Alg II-Bezug die freiwillige Versicherung in der GKV verdrängt.

Alg II-Beziehern ergänzende Beitragszuschüsse über die §§ 32, 73 SGB XII zuzuerkennen, liefe auf eine Umgehung der abschließenden Vorschriften zum Beitragszuschuss für SGB II-Leistungsberechtigte hinaus. Überdies taugt weder § 32 SGB XII als eine für Alg II-Bezieher ausgeschlossene Regelung aus den allgemeinen Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII noch § 73 SGB XII als Norm zur Bewältigung einer besonderen Lebenslage zur Behebung von Problemen, die der Gesetzgeber gesehen, aber bewusst offen gelassen hat.

Einer Beiladung des SGB XII-Trägers bedurfte es daher nicht.

Dem Gericht bliebe demnach nur der Weg einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der Zuschussregelung für privat krankenversicherte Hilfebedürftige überzeugt wäre. Das ist indes nicht der Fall. Das im Zusammenhang zu sehende Regelungsgefüge der §§ 192 ff. VVG, des § 26 SGB II und des § 12 VAG verletzt weder das aus Art. 1, Art. 20 GG folgende Gebot einer ausreichenden medizinischen Versorgung hilfebedürftiger Personen, noch verstößt es wegen der Inkaufnahme auflaufender Beitragsschulden bei Anordnung einer Versicherungspflicht gegen Art. 2 GG und auch eine willkürliche Besserstellung von GKV-Versicherten, Beziehern eines Zuschusses, der allein zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit gezahlt wird oder Beziehern von Leistungen nach dem SGBX II lässt sich nicht feststellen.

Im Einzelnen:

Art 1, Art. 20 GG

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zur Einbeziehung von Vorsorgeaufwendungen in das steuerrechtliche Existenzminimum (2 BvL 1/06 vom 13.2.2008) herausgestellt, dass zur Quantifizierung der steuerfrei zu belassenden Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung als Spiegelbild dessen, was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, “streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene„ (Rdnr. 110) abzustellen sei. Der Steuergesetzgeber sei danach nicht gehalten, die Beiträge zu “normalen„ privaten Krankheitskostenversicherungen von Verfassungs wegen stets zu 100% zu berücksichtigen. Er müsse nur die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Lebensstandards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigen und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige faktisch oder rechtlich zu höheren Aufwendungen verpflichtet ist (Rdnr. 135).

Diese Ausführungen zum Vorsorge-Existenzminimum sind insofern auf den Alg II-Bezieher, der seine PKV-Beiträge nicht bezahlen kann, zu übertragen, als der Staat seinen Schutzauftrag aus Art 1, Art. 20 GG hier dadurch ausreichend erfüllt, dass er den privaten Versicherungsunternehmen in § 193 VVG die Pflicht auferlegt, hilfebedürftigen Versicherten auch dann vollen Versicherungsschutz zu gewähren, wenn sie die PKV-Beiträge nur in Höhe des nach § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II gewährten Zuschusses entrichten. Wechseln die Versicherten in den Basistarif, worauf sie einen Anspruch haben, sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen nach § 75 Abs . 3 a Satz 1 SGB V zur Sicherstellung der Behandlung verpflichtet, im Gegenzug erlangen die Leistungserbringer (Ärzte und Krankenhäuser) nach § 192 Abs . 7 VVG einen Vergütungsanspruch, den sie direkt gegen das Versicherungsunternehmen geltend machen können. Der im Basistarif Versicherte ist also nicht zwingend auf das Kostenerstattungsverfahren angewiesen, womit eine (unzulässige) Aufrechnung offener Beitragsansprüche mit Erstattungsansprüchen von vornherein aus-scheidet. Im Übrigen ist eine solche Aufrechnung auch im Normaltarif eine unzulässige Umgehung der Schutzregelung aus § 193 Abs . 6 Satz 5 VVG (Klerks, info also 2009, S. 153 ff).

Die Anhäufung von Beitragsschulden infolge der nur teilweisen Beitragsübernahme führt nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht zum Wegfall des KV-Schutzes in existenzgefährdendem, sprich verfassungswidrigem Umfang. Denn trotz Ruhens des Versicherungs-vertrages erhält der unkündbare Versicherte die zur Beseitigung von Schmerzen und die zur Heilung von Krankheiten erforderlichen Behandlungen. Der Blick auf die Rechtsprechung zu § 4 AsylLbG, sofern sie auf dauerhaft Bleibeberechtigte überhaupt übertragbar ist, zeigt, dass der Umfang der Notfallbehandlung im ruhenden Versicherungsvertrag nicht zu eng ausgelegt werden darf (vgl. etwa SG Gießen vom 10.8.2006 - S 18 AY 6/06: Krankengymnastik und Wärmebehandlung zur Schmerztherapie).

Selbst wenn man also der Auffassung folgen sollte, dass der Schutz des § 193 Abs . 6 Satz 5 VVG nicht greift, wenn die Beitragsschulden Ausdruck der Hilfebedürftigkeit sind, die Hilfebedürftigkeit also nicht erst während des Ruhens eintritt (s. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften BT-Drs. 16/12677, S. 17; gegen diese Auslegung mit beachtlichen Gründen SG Dresden vom 18.9.2009 - S 29 AS 4051/09 ER), erhielte der beitragssäumige Hilfebedürftige Krankenversicherungsschutz in einem das Existenzminimum wahrenden Umfang.

Art. 2 GG

Die in Art. 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in ökonomischer Hinsicht könnte dadurch verletzt sein, dass einerseits in § 193 Abs . 3 VVG eine Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrages statuiert wird, der andererseits keine ausreichende Hilfe zur Seite steht, wenn die laut Vertrag geschuldeten Beiträge nicht mehr bezahlt werden können.

Gegen die Annahme einer “strangulierenden„ Vertragsbindung ist aber zunächst daran zu erinnern, dass der Kreis der genuin der PKV zugewiesenen Personen äußerst begrenzt ist. In der überragenden Zahl stellt sich das Problem der Beitragsverschuldung für Personen, die, als es ihnen wirtschaftlich und gesundheitlich gut ging, bewusst für die PKV optiert hatten. Werden sie aus wirtschaftlichen Gründen oder einer Verschlechterung ihres Versicherungs-risikos hilfebedürftig, geht es also nicht darum, ihnen über eine Versicherungspflicht und Sperrung der GKV eine unbezahlbare Privat-Versicherung aufzuzwingen, sondern um den Schutz der Allgemeinheit vor unschätzbaren Kosten, wenn die private Versicherung im Vertrauen auf eine Notfallhaftung der Allgemeinheit gekündigt würde- der in diesem Fall denkbare Haftungsanspruch nach § 34 SGB II liefe meist leer - und um den Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten vor einer Kumulierung schlechter Risiken in der GKV. Beides hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 als rechtmäßig und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Zweisäulen-Modells der Krankenversicherung notwendig beurteilt (Rdnr. 175).

Außerdem wird das Argument, die Kappung des Beitragszuschusses auf den Pflichtbeitrag nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V belaste den Privatversicherten mit einem monatlichen Eigenanteil von über 100 EUR, der Komplexität des Regelungsgefüges nicht gerecht. Zum einen können Versicherte mit einem guten Versicherungsrisiko die Pflicht zur ausreichenden Vorsorge gegen Krankheit auch in einer Krankenvollversicherung im Normaltarif erfüllen, der deutlich unter dem halbierten Höchstsatz des Basistarifs liegen kann. Zum anderen kann ein solcher Versicherter bei Wechsel in den Basistarif einen günstigeren Tarif mit Selbstbehalt wählen und damit die Beitragslücke verringern. Weiter ist zu beachten, dass lediglich die Höchstgrenze des Beitrags im Basistarif sowie dessen Halbierung für hilfebedürftige Versicherte gesetzlich geregelt wurde. Die Kalkulation des Basistarifs bzw. der Basistarife obliegt jedoch allein der Gestaltung der Versicherungsunternehmen; der Basistarif muss ja nicht stets auf den Höchstbeitrag der GKV bemessen werden. Die im BVerfG-Verfahren vorgebrachten Modellberechnungen, mit denen ein Ausbluten der Versicherung bzw. eine signifikante Beitragserhöhung der Normaltarife belegt werden sollte, wurden vom BVerfG als eher fern liegend einer Beobachtungspflicht des Gesetzgebers zur künftigen Entwicklung zugeordnet (treffend zum Gewicht dieser Beobachtungspflicht Wenner, SozSich 2009, S. 233).

Bisher ist die Zahl der bundesweit abgeschlossenen Versicherungen zum Basistarif recht gering (ca. 4000) geblieben. Dies deutet darauf hin, dass eine günstigere Kalkulation des Basistarifs ohne Selbstbehalt und schlechtem Versicherungsrisiko das vom Äquivalenzprinzip gesteuerte System der Privatversicherung nicht überfordern würde. Die Kappung des Zuschusses kann so gesehen mit dem überragenden Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt werden, die Versicherungswirtschaft mit in die Pflicht zu nehmen, eine systemimmanente Lösung für wirtschaftlich schwache Versicherte zu entwickeln, was sie ohne den Druck, ggf. dauerhaft Beitragsschulden in hohem Umfang verwalten zu müssen, nicht tun wird. Dass solidarische Ausgleichstarife die PKV bzw. die in ihr versicherten Menschen nicht unzumutbar belasten und dem Erhalt eines Zwei-Säulen-Modells dienen, hat das BVerfG in der Entscheidung vom 10.6.2009 überzeugend dargelegt (s. zur sozialstaatlichen Einbindung der PKV auch LSG NRW vom 16.10.2009 - L 20 B 56/98 SO ER).

Art. 3 GG

Eine willkürliche, d. h. sachfremde Besserstellung GKV-Versicherter besteht bei genauerer Betrachtung nicht. Denn die Übernahme des vollen Beitrags für diese Personen beruht schlicht auf der günstigen Bemessung der Beiträge für freiwillig Versicherte nach § 9 SGB V oder Auffangversicherte nach § 5 Abs . 1 Nr. 13 SGB V im System der GKV, das der Gesetzgeber für eine Leistung, die grundsätzlich eine Versicherungspflicht begründet, als Bezugssystem auswählen darf. Überdies gehören PKV-Versicherte, die hilfebedürftig werden, nicht typischerweise zu einer schwer vermittelbaren Personengruppe mit gesundheitlichen Problemen. In Erwartung einer absehbaren Überwindung der Hilfebedürftigkeit werden sie häufig im Normaltarif bleiben. Der gegenüber GKV-Versicherten zu zahlende Eigenbeitrag lässt sich für diesen Personenkreis dann ohne weiteres mit der bevorzugten Behandlung privat Krankenversicherter, mit der die PKV ja bewusst wirbt, rechtfertigen.

Wie schon aufgezeigt wurde, bedeutet die Übernahme von Beiträgen freiwillig Versicherter in der GKV nach § 26 Abs . 2 Nr. 2 SGB II nicht, dass insoweit Zuschüsse bis zur Höhe des Mindestbeitrags für hauptberuflich Selbständige übernommen werden könnten. Diese sind im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V mit einem Beitrag von derzeit 124,32 EUR pflichtversichert.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur für Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII auf eine volle Übernahme des (halbierten) PKV-Beitrags im Basistarif erkannt wird, beruht dies auf einer sehr zweifelhaften Auslegung des § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 VAG. Richtig dürfte sein, dass auch für diesen Personenkreis nur ein Beitrag in Höhe des Pflichtbeitrags nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V übernommen werden kann (so mit sehr ausführlicher Begründung LSG NRW vom 16.10.2009 - L 20 b 56/09 SO ER).

Doch selbst wenn man für den Personenkreis der nicht erwerbsfähigen Menschen aus dem VAG eine volle Beitragsübernahme herausliest, wäre dies keine sachfremde Privilegierung gegenüber Alg II-Beziehern. Denn die häufigsten Fälle für Beitragszuschüsse nach § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II dürften Selbständige sein, die wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten haben; sie gehören zu einer arbeitsmarktnahen Personengruppe, für die typisierend unterstellt werden kann, dass sie zumindest bei Ausübung eines Minijobs über die Einkommensbereinigung und die Freibeträge nach § 11, 30 SGB II Reserven zur Eigenbeteiligung am PKV-Beitrag haben oder einen Basistarif mit Eigenbeteiligung wählen können und überdies nicht mit einem so langen Verbleib im SGB II rechnen müssen, dass Beitragsschulden in sehr großer Höhe auflaufen.

Schließlich ist die Beitragskappung auch im Vergleich zu Personen, die allein wegen der Entrichtung des PKV-Beitrags hilfebedürftig würden - für sie wird der Beitrag bis zu der Höhe übernommen, die den Eintritt von Hilfebedürftigkeit abwendet - nicht willkürlich. Denn für Menschen, die ihren Grundbedarf (Regelleistung und Unterkunftskosten) aus eigenen Mitteln bestreiten können, ist der Zuschuss nach § 26 Abs . 2 Nr. 2 zweiter Halbsatz SGB II kein Alg II. Trotz Zuschuss können sie deshalb Wohngeld und Kinderzuschlag nach § 6a BKGG erhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird der Beitragszuschuss für diesen Personenkreis daher nicht deutlich über dem Pflichtbeitrag nach § 5 Abs . 1 Nr. 2a SGB V liegen. Überdies kann der Gesetzgeber gegenüber diesem Personenkreis in verstärktem Maß einen Anreiz zur Beibehaltung der grundbedarfsdeckenden Einkommensquelle fördern.

Erweisen sich die angefochtenen Bescheide nach alldem als rechtmäßig und verfassungs-konform, musste die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende, Bedeutung hat.

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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 21:29

LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 16.09.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B
Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen für eine private Krankenversicherung bis zur Hälfte des Basistarifs. planwidrige Regelungslücke
Leitsatz

Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, haben Anspruch auf einen Beitragszuschuss in Höhe ihres tatsächlichen notwendigen Beitrags, maximal bis zur Hälfte des Basistarifs.
Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.
Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Kosten des Antragstellers für die private Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen hat.

Der 1967 geborene Kläger war als selbständiger Fahrzeugaufbereiter bei der A. Krankenversicherungs AG privat kranken- und pflegeversichert. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 02.07.2009 ist das Insolvenzverfahren über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden.

Vom 02.11.2007 bis zum 02.06.2009 bezog der Antragsteller Krankengeld. Am 02.06.2009 stellte er bei der Antragsgegnerin den Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ( SGB II). Mit Bescheid vom 18.06.2009 bewilligte ihm die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 02.06.2009 bis 31.12.2009. Darin enthalten ist u.a. ein Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 125,22 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,20 EUR für den Monat Juni 2009 und in Höhe von 124,32 EUR für die Krankenversicherung und 17,79 EUR für die Pflegeversicherung für die Zeit von Juli bis Dezember 2009. Zur Begründung wird ausgeführt, den Restbetrag bis zur Versicherungsrate von 253,66 EUR habe der Antragsteller selbst zu tragen.

Hiergegen hat dieser Widerspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe zu übernehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, der bewilligte Beitragszuschuss entspreche der gesetzlichen Regelung in § 26 SGB II i. V .m. § 12 Abs . 1c Sätze 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Hiergegen hat der Antragsteller am 12.08.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Bereits zuvor hat der Antragsteller am 24.07.2009 beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, seine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in voller Höhe sowie den prozentualen Anteil für seine Medikamente zuzüglich einer Selbstbeteiligung von 300,00 EUR pro Jahr zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 06.07.2009 hat die A. Stuttgart-Böblingen eine Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers, der Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hat, wegen Nichterfüllung der Vorversicherungszeit abgelehnt.

Den Antrag vom 21.07.2009 auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt (Übernahme des nicht durch das JobCenter gedeckten Beitrages zur privaten Krankenversicherung) nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ( SGB XII) hat das Bezirksamt Zuffenhausen mit Bescheid vom 10.08.2009 abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller habe als erwerbsfähige Person dem Grunde nach Ansprüche nach dem SGB II, so dass gemäß § 21 Satz 1 SGB XII kein Anspruch nach dem SGB XII bestehe.

Die A. AG hat mitgeteilt, der Basistarif für die Krankenversicherung betrage 569,63 EUR zuzüglich der Pflegepflichtversicherung in Höhe von 25,10 EUR.

Ausweislich des Versicherungsscheins über die private Kranken- und Pflegeversicherung bei der A. hat der Kläger monatlich Beiträge für die Krankenversicherung in Höhe von 208,21 EUR zusätzlich eines Beitragszuschlags von 20,82 EUR, für die Pflegepflichtversicherung 23,83 EUR sowie für eine Reise-Plus-Versicherung 0,80 EUR zu entrichten.

Im Erörterungstermin vor dem SG hat der Antragsteller vorgetragen, seine Krankenversicherung verrechne derzeit die von ihm eingereichten Arztrechnungen mit offenen Beitragsschulden. Hierzu hat er ein entsprechendes Erstattungsschreiben der A. AG vorgelegt, im welchem diese den Erstattungsbetrag mit offenen Beiträgen verrechnet hat.

Mit Beschluss vom 13.08.2009 hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 252,86 EUR unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen sowie den jährlichen Selbstbehalt von 300,00 EUR vom 24.07.2009 bis zum 31.12.2009 zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt und der Antragsgegnerin die Tragung von 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auferlegt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es liege sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor. Richtig sei zwar, dass der Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 26 Abs . 2 SGB II i. V .m. § 12 Abs . 1c Sätze 5 und 6 VAG den von der Antragsgegnerin zu gewährenden Zuschuss auf den für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Betrag beschränke. Der danach zu gewährende Zuschuss in Höhe von 125,22 EUR für die Krankenversicherung und 17,20 EUR für die Pflegeversicherung führe angesichts eines vom Antragsteller zu zahlenden Beitrags in Höhe von 252,66 EUR zu einer regelmäßigen Bedarfsunterdeckung in Höhe von monatlich 111,24 EUR. Dies widerspreche bereits der gesetzgeberischen Absicht, die der Änderung von § 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V ) ab dem 01.01.2009 zugrunde gelegen habe. Der Gesetzgeber sei bei der Einfügung des § 5 Abs. 5a SGB V ausweislich der Gesetzesbegründung ersichtlich davon ausgegangen, dass mit der Einführung eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung die Einbeziehung der Personengruppe der Selbständigen und bisher privat Krankenversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung nicht mehr erforderlich sei. Es liege deshalb eine gesetzgeberische Lücke in verfassungsrechtlichem Ausmaß vor. Der Gesetzgeber habe zum einen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr für notwendig gehalten, zum anderen jedoch durch die Neuregelung des Zuschusses eine Bedarfsunterdeckung verursacht. Der Gesetzesbegründung zu § 12 Abs . 1c VAG könne nicht entnommen werden, dass dem Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses der privat versicherten Alg II-Bezieher aus der gesetzlichen Krankenversicherung und die Neuregelung des § 26 Abs . 2 SGB II mit der Beschränkung des Zuschusses auf den Beitrag für Leistungsbezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen gestanden habe. Es spreche deshalb viel dafür, dass hier ein gesetzgeberisches Versehen vorliege.

Vorliegend sei die Sicherung des Existenzminimums betroffen mit der weiteren Folge, dass der Antragsteller trotz aktueller Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr von seinen Ärzten behandelt werde. Dieser Zustand stelle eine existenzielle, dem Antragsteller nicht zumutbare Notlage dar, durch welche sowohl die körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 Grundgesetz (GG) als auch der Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums gemäß Artikel 1 GG i. V .m. Artikel 20 GG betroffen sei. Angesichts der betroffenen Rechtsgüter und der Folgen, die bei einer fortlaufenden Bedarfsunterdeckung entstünden, sei die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig ab Antragstellung die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Es sei auch insbesondere ein Anordnungsgrund gegeben, da bei einem Abwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dem Antragsteller ein Ruhen seiner Krankenversicherung drohe. Der Antrag sei lediglich insoweit abzuweisen, als auch die Übernahme der Kosten für den Versicherungsbestandteil Reise-Plus in Höhe von monatlich 0,80 EUR geltend gemacht werde, da eine Auslandsreisekrankenversicherung nicht zur Gewährleistung des Existenzminimums erforderlich sei. Auch für die Übernahme der Kosten für den Eigenanteil an den Medikamenten bestehe im SGB II keine rechtliche Grundlage.

Gegen den am 13.08.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 28.08.2009 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des SG vom 13.08.2009 aufzuheben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es bestehe eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Höhe der gemäß § 26 Abs . 2 SGB II zu übernehmenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Der Wortlaut des § 12 Abs . 1c Nr. 6 VAG, auf den § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II verweise, sei unmissverständlich, eine teleologische Reduktion dahingehend, dass die ungedeckten Beiträge zu übernehmen seien, komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe die Regelung auch bewusst getroffen. Dies zeige ein Vergleich zu den Regelungen des SGB XII, wonach gemäß § 32 Abs . 5 SGB XII die angemessenen Beiträge zur privaten Krankenversicherung durch den SGB XII-Träger zu übernehmen seien. Dort fehle nämlich der Verweis auf § 12 Abs . 1c Sätze 4 - 6 VAG.

Der Antragsteller hat sich nicht geäußert.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zurecht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des von ihm zu entrichtenden Beitrages abzüglich des Beitragsanteils für die Auslandskrankenversicherung zu gewähren. Hierzu wird auf die dortigen Ausführungen gem. § 142 Abs . 2 Satz 3 SGG verwiesen.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen: Nach § 86 b Abs . 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs . 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs . 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Artikel 19 Abs . 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928). Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das die Antragsteller mit ihrem Begehren verfolgen (BVerfG a.a.O.). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzubeziehen.

Auch zur Überzeugung des Senats liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen ist (BSGE 82, 68,71 f.).

Nach dem Wortlaut des § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) gilt für Bezieher von Alg II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs . 1c Satz 5 und 6 des VAG. Nach § 12 Abs . 1c Satz 6 Zweiter Halbsatz VAG zahlt der zuständige Träger, wenn unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II besteht, den Betrag, der auch für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.

Nach dem Wortlaut hat der Bezieher von Alg II den Differenzbetrag danach selbst zu tragen. Der Leistungsbezieher kann den Beitrag jedoch nur aus der Regelleistung bestreiten. In dieser sind jedoch Leistungen für den Krankenversicherungsschutz - jedenfalls in dieser Höhe - nicht enthalten (vgl. den tabellarischen Überblick des Gesetzgebers über den zu sichernden Bedarf, BT-Drucks. 15/11516 S. 55; vgl. hierzu auch SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009 - S 5 AS 2121/09 - Rn. 53 - in juris). Nach der Konzeption des SGB II sind die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung nicht in der Regelleistung enthalten.

Auch den Gesetzesmotiven kann nicht entnommen werden, dass - entgegen der Konzeption des SGB II - der nicht gedeckte Teil der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung aus Mitteln der Regelleistung zu tragen ist. Im Gesetzentwurf zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/3100) vom 24.10.2006 war eine Änderung des § 26 SGB II noch nicht enthalten. § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG war wie folgt gefasst: “ Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, zahlt der zuständige Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Zur Begründung der Neufassung von § 12 Abs . 1c VAG wird ausgeführt (S. 207), Abs . 1 c erweitere für den Basistarif die bisher für den Standardtarif geltenden Regelungen zur Begrenzung der Prämienhöhe: Um die Bezahlbarkeit des Basistarifs zu gewährleisten, dürfe dessen Beitrag den durchschnittlichen GKV-Höchstbeitrag nicht überschreiten. Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II oder SGB XII auslösen, stellten weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert würden. Eine Belastung mit Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von beinahe einem Drittel der Regelleistung dürfte jedoch eine - nicht gewollte - finanzielle Überforderung darstellen. § 12 Abs . 1c S. 6 VAG konnte danach auch so gelesen werden, dass eine Beitragspflicht in der privaten Krankenversicherung nur in Höhe des Betrages der gesetzlichen Krankenversicherung für Alg II-Bezieher bestand.

Aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/4200) vom 31.01.2007 erfolgte eine Neufassung von § 26 Abs . 2 und 3 SGB II (Verweis auf § 12 Abs . 1c Sätze 5 und 6 VAG) sowie eine Änderung in § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG in Form der nachfolgenden Gesetzesfassung. In der Begründung des Ausschusses wird hierzu ausgeführt (BT-Drucks. 16/4247 S. 69), Satz 6 stelle klar, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Weise und aus welchen Mitteln Alg II-Bezieher den Differenzbetrag aufzubringen hätten, hat danach ersichtlich nicht stattgefunden.

Es kann deshalb auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber im SGB XII nicht auf die Regelungen des VAG Bezug genommen hat, geschlossen werden, der Gesetzgeber habe im SGB XII bewusst von einer Bezugnahme abgesehen. Im Übrigen hat der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 30.06.2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B) nicht entschieden, ein Verweis auf § 12 Abs . 1c S. 4-6 VAG erfolge in § 32 SGB XII “ausdrücklich nicht„, sondern ein solcher Verweis erfolge “nicht ausdrücklich„.

Auch das BVerfG hat sich in seiner Entscheidung vom 10.06.2009 (1 BvR 706/08) mit der vorliegenden Problematik nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich ausgeführt, die in § 12 Abs . 1c S. 4-6 VAG vorgesehenen Beitragsbegrenzungen bei Hilfebedürftigen seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Rn. 184) und in Rn. 195 der Entscheidung lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt.

Verfassungsrechtlich bedenklich hinsichtlich einer Ungleichbehandlung dürfte sein, dass sich ein unterschiedlicher Anspruch nach § 12 Abs . 1c Satz 5 VAG und § 12 Abs . 1c Satz 6 VAG ergibt.

§ 12 Abs . 1c Satz 6 VAG regelt die Beitragshöhe und den Zuschuss für Personen, die unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags zur Krankenversicherung hilfebedürftig nach dem SGB II oder SGB XII sind. Nach dem Wortlaut von Satz 6 ist der Zuschuss auf den für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag beschränkt. Demgegenüber besteht eine solche Beschränkung bei einem Anspruch nach Satz 5 nicht. Satz 5 hat folgenden Wortlaut: Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweites oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Danach ist folgende Konstellation denkbar. Der Berechtigte verfügt über Einkommen in Höhe des Regelsatzes sowie seiner Kosten der Unterkunft und ist deshalb nicht hilfebedürftig nach dem SGB II. Nach Satz 5 hat er Anspruch auf Beteiligung des zuständigen Trägers nach dem SGB II in erforderlichem Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird, somit in Höhe der notwendig anfallenden Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung, somit maximal in Höhe des halben Basistarifs.

Der Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung ergibt sich aus § 28 Abs . 3 Satz 1 SGB II. Danach werden für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen.

Der Antragsteller ist weder verpflichtet noch in der Lage, die Differenz zwischen der Höhe seines Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrages und den Zuschuss durch die Antragsgegnerin aus der ihm bewilligten Regelleistung zu begleichen. Diese dient gemäß § 20 Abs . 1 SGB II der Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere der Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie (ohne die auf die Heizung anfallenden Anteile), Bedarf des täglichen Lebens sowie vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Regelleistung umfasst zwar auch Aufwendungen für die Gesundheitspflege, und zwar im wesentlichen diejenigen Aufwendungen, die ein Versicherter nach dem SGB II selbst tragen muss, wie z.B. die Kosten für die Praxisgebühr, Zuzahlungen oder die Kosten nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Nicht von der Regelleistung umfasst sind dagegen die Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 55).

Dem Antragsteller ist auch ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Zwar verliert er bei Nichtzahlung der vollständigen Beiträge nicht seinen Versicherungsschutz. Seit dem 01.01.2009 gilt für alle Personen, die weder gesetzlich krankenversichert sind noch einem dritten Sicherungssystem angehören, eine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer Krankheitskostenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (§ 193 Abs . 3 Versicherungsvertragsgesetz - VVG -). Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, mit der die Pflicht nach § 193 Abs . 3 Satz 1 VVG (also zum Abschluss einer substitutiven Krankheitskostenversicherung) erfüllt wird, durch den Versicherer ist ausgeschlossen (§ 206 Abs . 1 Satz1 VVG). Dem Antragsteller droht jedoch, von der ärztlichen Behandlung ausgeschlossen zu sein, da er als Privatversicherter zunächst die ärztliche Behandlung selbst bezahlen muss und auf den Weg der Kostenerstattung angewiesen ist. Mangels ausreichender finanzieller Mittel ist ihm damit eine ausreichende medizinische Versorgung, die Teil des von Artikel 1 Abs . 1 und Artikel 20 Abs . 1 GG geschützten Existenzminimums (BSG, SozR 4-2005, § 62 Nr. 6 Rn. 31) ist, nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 21:33

Hessisches LSG Beschluss vom 15.12.2009 - L 6 AS 368/09 B ER
Tenor

Unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 2009 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 12. Mai bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 235,40 EUR und für die Zeit vom 1. Januar bis 11. Mai 2010 in Höhe von monatlich 276,66 EUR unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 147,33 EUR monatlich sowie den jährlichen Selbstbehalt, insgesamt maximal bis zur Höhe des hälftigen Beitrags des Basistarifs, zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen jeweils zur Hälfte zu erstatten.
Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist - nachdem der Antragsteller im Hinblick auf die erstinstanzlich noch streitigen Kosten der Unterkunft mit Schriftsatz vom 25. November 2009 das Eilverfahren für erledigt erklärt hat - noch die vorläufige Erstattung bzw. Übernahme von weiteren Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung streitig.

Der 1961 geborene Antragsteller ist seit dem 15. Dezember 2006 Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ( SGB II). Für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 erteilte die Antragsgegnerin unter dem 2. Februar 2009 einen Bewilligungsbescheid und wies darin einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Krankenversicherung von 118,31 EUR sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,54 EUR aus. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11. Februar 2009 Widerspruch und machte u. a. geltend, es seien die tatsächlichen Kosten für seine Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) zu übernehmen. Insoweit könne er die entsprechenden Beiträge nicht mehr zahlen. Im Übrigen sei ihm ein Wechsel von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt. Zum 1. März 2009 wechselte der Antragsteller von seinem bisherigen Tarif bei der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) in den sog. Basistarif mit einem Gesamtbeitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 307,70 EUR. Zuvor betrug der Monatsbeitrag gesamt 235,40 EUR. Durch Änderungsbescheid vom 27. April 2009 setzte die Antragsgegnerin den Beitragszuschuss für den genannten Zeitraum nunmehr auf 129,54 EUR (Krankenversicherung) und 17,79 EUR (Pflegeversicherung), mithin gesamt 147,33 EUR fest. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2009 mit der Begründung zurück, soweit der Antragsteller vor Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert gewesen und deshalb gemäß § 5 Abs. 5a S. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - ( SGB V ) nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sei, regele § 26 SGB II den Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen und verweise auf § 12 Abs . 1c S. 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Zunächst sei davon auszugehen, dass der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen dürfe, wobei sich dieser aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen und der Beitragsbemessungsgrenze errechne. Entstehe allein durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags Hilfebedürftigkeit, vermindere sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Bestehe auch bei einem derart verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit, beteilige sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden werde. Bestehe unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, zahle der zuständige Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei. Dieser Betrag belaufe sich derzeit für die gesetzliche Krankenversicherung auf 129,54 EUR und für die gesetzliche Pflegeversicherung auf 17,79 EUR. Soweit der tatsächliche Beitrag den Höchstbeitrag übersteige, könne die Differenz von anrechenbarem Einkommen abgesetzt werden. Im Fall des Antragstellers liege kein anzurechnendes Einkommen vor, so dass eine Deckungslücke verbleibe, die jedoch mangels Rechtsgrundlage nicht von ihr auszugleichen sei.

Am 12. Mai 2009 hat der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und zugleich Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2009 hat das Sozialgericht den Eilantrag betreffend die Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, insoweit fehle es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller habe gemäß § 26 Abs . 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs . 1c S. 5 und 6 VAG lediglich Anspruch auf Gewährung des Beitrages, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei. Dieser belaufe sich für die gesetzliche Krankenversicherung auf 129,54 Euro und für die gesetzliche Pflegeversicherung auf 17,79 EUR. Die Differenz zu dem Basistarif des Antragstellers betrage demnach 160,37 EUR und könne bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht berücksichtigt werden, weil lediglich gemäß § 11 Abs . 2 Nr. 3a SGB II eine Absetzung vom Einkommen in Betracht komme und der Antragsteller derzeit über kein Einkommen verfüge. Im Ergebnis sei der Antragsteller darauf zu verweisen, eine andere private Kranken- und Pflegeversicherung mit einem günstigeren Basistarif zu wählen.

Der Antragsteller hat am 13. Juli 2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde erhoben. Er begehrt weiterhin die Erstattung seiner Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung über den bewilligten Zuschuss hinaus und trägt im Verlauf des Verfahrens vor, ohne die Übernahme dieser Kosten durch die Antragsgegnerin bestehe eine erhebliche Deckungslücke. Mit seinen Leistungen sei es ihm nicht möglich, die ungedeckten Beiträge zu zahlen, so dass sein Krankenversicherungsschutz gefährdet sei. Im Übrigen habe er mit dem Versicherungsunternehmen die Umstellung in den Basistarif vorgenommen, weil er hierzu von der Antragsgegnerin aufgefordert worden sei. Nach der Tarifumstellung habe sich herausgestellt, dass selbst der für ihn als Hilfebedürftigen halbierte Basistarif teurer gewesen sei als der vor März 2009 geltende Tarif. Dementsprechend habe er die Tarifumstellung rückgängig gemacht. Für ihn gelte durchgängig wieder ein Gesamtbeitrag von monatlich 235,40 EUR. Allerdings habe er einen Selbstbehalt von 380,00 EUR pro Jahr zu tragen. Trotz der Selbstbeteiligung sei dieser Tarif günstiger als der halbierte Beitrag für den Basistarif. Ergänzend trägt der Antragsteller vor, seine Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung würden sich ab dem 1. Januar 2010 auf monatlich 276,66 EUR und sein jährlicher Selbstbehalt auf 400,00 EUR erhöhen, was seine finanzielle Unterdeckung weiter verschärfe. Im Übrigen verweist der Antragsteller auf Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2009 (L 2 SO 2529/09 ER-B) und 8. Juli 2009 (L 7 SO 2453/09 ER-B), die seinen Anspruch stützten.

Im Verlauf des Verfahrens hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. Juli 2009 Folgeleistungen für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Januar 2010 bewilligt und hierbei weiterhin einen Zuschuss zur Krankenversicherung von 129,54 EUR sowie zur Pflegeversicherung von 17,79 EUR festgesetzt.

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 2009 zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache weitere Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 12. Mai bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 88,07 EUR (mithin gesamt 235,40 EUR) und für die Zeit ab 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 129,33 EUR (mithin gesamt 276,66 EUR) zu übernehmen sowie die Selbstbeteiligung in tatsächlich anfallender Höhe zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts und trägt ergänzend vor, der von ihr festgesetzte Zuschuss zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entspreche der Gesetzeslage, so dass ihr eine andere Entscheidung nicht möglich sei. Die von dem Antragsteller zitierten Gerichtsentscheidungen beträfen Angelegenheiten nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - ( SGB XII), bei denen sich die Rechtslage anders darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch in dem noch anhängigen Umfang überwiegend begründet. Das Sozialgericht hat insoweit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs . 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs . 2 Satz 4 SGG i. V .m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs . 4 des Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988, Az. 2 BvR 745/88 = BVerfGE 79, 69 ff.; Beschluss vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236 f.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2005, Az. L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Mai 2004, Az: L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli 2002, Az: L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Davon ausgehend ist der erforderliche Anordnungsanspruch, nämlich der Anspruch des Antragstellers auf einen Zuschuss gemäß § 26 SGB II zu seinen Kosten für die private Krankenversicherung maximal bis zur Hälfte der Beiträge für den Basistarif sowie für die soziale Pflegeversicherung für die Zeit seit Eingang des Eilantrages am 12. Mai 2009 bis zum 11. Mai 2010 zu bejahen. Dies gilt zumindest im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen und im konkret vorliegenden Verfahren auch ausreichenden summarischen Prüfung. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 16. September 2009, L 3 AS 3934/09 ER-B) vertritt auch der erkennende Senat die Auffassung, dass unter Auswertung der Gesetzesmaterialien von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist.

Nach § 26 Abs . 2 S. 1 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I Seite 378) gilt für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs . 1c S. 5 und 6 VAG. Zunächst ist in § 12 Abs . 1c S. 1 VAG geregelt, dass der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen darf, wobei sich der Höchstbeitrag aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen vom 1. Januar des Vorjahres und der Beitragsbemessungsgrenze errechnet; abweichend davon wird im Jahr 2009 zur Berechnung des Höchstbeitrags der allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen vom 1. Januar 2009 zugrunde gelegt. Weiter regelt § 12 Abs . 1c S. 4 Halbs. 1 VAG, dass sich, sofern allein durch die Zahlung des Beitrags nach S. 1 (oder S. 3 - betreffend Personen mit Anspruch auf Beihilfe nach beamtenrechtlichen Grundsätzen) Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII entsteht, der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte vermindert. Besteht auch bei einem nach S. 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs . 1c S. 5 VAG). Nach § 12 Abs . 1c S. 6 VAG gilt S. 4 entsprechend, sofern unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach den SGB II oder SGB XII besteht; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.

Vorliegend besteht unabhängig von der Höhe des von dem Antragsteller zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, so dass an sich nach dem Gesetzeswortlaut der Beitragszuschuss auf den Betrag begrenzt wäre, den der Leistungsträger für einen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Hilfebedürftigen aufzuwenden hätte. Dies hätte hier zur Folge, dass wegen der - sowohl bezogen auf den aktuellen Tarif des Antragstellers als auch bezogen auf den halbierten Basistarif - höheren Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung eine Deckungslücke verbliebe, die von dem Antragsteller nicht anderweitig geschlossen werden kann. Insbesondere deckt die Regelleistung nach § 20 SGB II nicht auch den Bedarf aufgrund der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ab, was bereits daraus geschlossen werden kann, dass § 26 SGB II einen Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen gesondert regelt (vgl. im Übrigen den Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 5. September 2003, Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 15/1516, Seite 55 f.). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die sich in dieser Konstellation ergebende Deckungslücke gesehen und bewusst eine den Hilfebedürftigen unzumutbar belastende Regelung getroffen hat. Zur Gesetzesbegründung ist im Entwurf des GKV-WSG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. Oktober 2006 (BT-Drucks. 16/3100, Seite 207) zu § 12 Abs . 1c VAG ausgeführt, im Interesse der Bezahlbarkeit des Basistarifs dürfe dessen Beitrag den durchschnittlichen Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten. Weiter heißt es: “Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II oder SGB XII auslösend, stellen weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert werden.„ Dies bezieht sich zum einen auf § 12 Abs . 1c S. 4 VAG, der die Halbierung des Beitrags im Falle von Hilfebedürftigkeit regelt, und zum anderen auf § 12 Abs . 1c S. 5 VAG, wonach bei weiterhin gegebener Hilfebedürftigkeit trotz Halbierung des Beitrags der zuständige Leistungsträger sich im für die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfang an der Beitragslast zu beteiligen hat. Eine weitere Begründung bezogen auf § 12 Abs . 1c S. 6 VAG enthält der Gesetzentwurf nicht. Es ist jedoch das Ziel des Gesetzgebers erkennbar, finanzielle Überforderungen des Hilfebedürftigen zu vermeiden. Eine solche Überforderung wäre aber gegeben, wenn der Hilfebedürftige eine Deckungslücke - wie hier im Umfang von 88,07 EUR bzw. 129,33 EUR monatlich - schließen müsste, für die ihm allerdings Mittel gar nicht zur Verfügung stehen. Zutreffend hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (a.a.O.) darauf verwiesen, dass vor diesem Hintergrund § 12 Abs . 1c S. 6 VAG auch so gelesen werden konnte, dass eine Beitragspflicht in der privaten Krankenversicherung nur in Höhe des Betrages der gesetzlichen Krankenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II bestand. In der Folge befasste sich der Ausschuss für Gesundheit des Bundestages mit dem Gesetzentwurf. Der Beschlussempfehlung vom 31. Januar 2007 sind jedoch gesonderte Hinweise zu § 12 Abs . 1c S. 6 VAG nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drucks. 16/4200, Seite 209). In dem weiteren Bericht des Ausschusses vom 1. Februar 2007 (BT-Drucks. 16/4247, Seite 69) ist zu § 12 Abs . 1c VAG ausgeführt: “Satz 6 stellt klar, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greift. Es bleibt bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen.„ Daraus wird nicht ersichtlich, dass eine aus einer Begrenzung des Beitragszuschusses entstehende Deckungslücke für Hilfebedürftige nach dem SGB II als Problem erkannt worden ist und Überlegungen angestellt worden sind, aus welchen Mitteln der Hilfebedürftige diese Lücke schließen kann. Mithin kann auch nicht aus dem Umstand, dass § 32 Abs . 5 SGB XII keinen Verweis auf § 12 Abs . 1c S. 5 und 6 VAG enthält, geschlossen werden, der Gesetzgeber habe eine bewusste Differenzierung vorgenommen (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg a.a.O.). Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass eine im Hinblick auf die erkennbar gewordenen Zielsetzungen unvollständige Regelung beschlossen worden ist. Dieses Ergebnis wird weiter auch dadurch untermauert, dass eine sich auf den Anspruchsumfang auswirkende Differenzierung in § 12 Abs . 1c S. 5 VAG (keine Beschränkung des Zuschusses, vielmehr Zuschuss im für die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfang) und § 12 Abs . 1c S. 6 VAG (Beschränkung des Zuschusses auf den für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beitrag) nicht nachvollzogen werden kann.

Nach alledem geht der Senat von einer planwidrigen Gesetzeslücke aus, die zumindest im summarischen Eilverfahren dergestalt zu schließen ist, dass die Antragsgegnerin vorläufig den tatsächlichen Beitragsaufwand des Antragstellers maximal bis zur hälftigen Höhe des für den Basistarif maßgeblichen Beitrags trägt. Für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ergibt sich eine Verpflichtung des Leistungsträgers, die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang zu übernehmen, aus § 26 Abs . 3 S. 1 SGB II. Zweifel an der Angemessenheit bzw. Notwendigkeit im Hinblick auf den seitens der DKV dem Antragsteller berechneten monatlichen Beitrag für die soziale Pflegeversicherung bestehen insoweit nicht.

Ist damit der erforderliche Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so lässt sich vorliegend auch der weiter erforderliche Anordnungsgrund bejahen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. November 2005, Az. L 9 AS 66/05; Conradis, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen anzunehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, Rdnr. 29a). Gegeneinander abzuwägen sind die Folgen, die bei Erlass bzw. Ablehnung einer einstweiligen Anordnung für den unterliegenden Beteiligten entstehen würden, jeweils unterstellt, der Erlass bzw. die Ablehnung der Anordnung erfolgte aufgrund nachträglicher Prüfung im Hauptsacheverfahren zu Unrecht. Davon ausgehend würden dem Antragsteller im Falle einer unzutreffenden Ablehnung seines Antrages gravierendere Nachteile entstehen als der Antragsgegnerin im Falle einer im Ergebnis unzutreffenden Stattgabe des Antrages. Insoweit stünde zu befürchten, dass das Existenzminimum des Antragstellers in dem maßgeblichen Zeitraum nicht gewährleistet wäre. Diese Verletzung einer grundgesetzlichen Gewährleistung kann nicht durch eine nachträgliche Gewährung im Falle des Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren korrigiert werden. Für diesen ergäbe sich eine nachträglich nicht mehr zu schließende Rechtsschutzlücke. Demgegenüber sind die Nachteile für die Antragsgegnerin deutlich weniger gravierend, sollte sich im Hauptsacheverfahren erweisen, dass die einstweilige Anordnung zu Unrecht ergangen ist. Sollte sich nämlich ergeben, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, ist der Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung der Anordnung entsteht (§ 86b Abs . 2 S. 4 SGG i. V .m. § 945 ZPO).

Der Senat hält vorliegend eine Verpflichtung der Antragsgegnerin (ausgehend von dem 12. Mai 2009) für die Zeit bis zum 11. Mai 2010 für angemessen. Dabei orientiert er sich daran, dass nach der gesetzlichen Konzeption der regelmäßige Bewilligungszeitraum sechs Monate (§ 41 Abs . 1 S. 4 SGB II) und im Falle nicht zu erwartender Veränderungen bis zu 12 Monate umfasst (§ 41 Abs . 1 S. 5 SGB II). Anhaltspunkte für relevante Änderungen in den Verhältnissen sind hier nicht ersichtlich, vielmehr wird der Antragsteller bis auf weiteres in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung verbleiben (müssen). Allenfalls könnte sich künftig die Frage stellen, ob nicht doch ein Wechsel in den Basistarif der Krankenversicherung günstiger ist, was von der weiteren Beitragsgestaltung des Versicherers abhängt. Jedoch ist der Anspruch nach § 26 SGB II nach oben von vornherein auf den hälftigen Beitrag des Basistarifs begrenzt, wobei jeweilige Selbstbehalte zu berücksichtigen sind.

Das bedeutet im Ergebnis, dass die Antragsgegnerin während der genannten Zeiträume die tatsächlichen Beiträge des Antragstellers zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung vorläufig zu übernehmen hat. Ggf. kommt wegen der Begrenzung auf den hälftigen Beitrag des Basistarif in Betracht, dass die Antragsgegnerin ab dem 1. Januar 2010 den für den Antragsteller dann geltenden jährlichen Selbstbehalt von 400,00 EUR nur zum Teil auszugleichen hat (für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 liegt die Summe der monatlichen Beiträge und des jährlichen Selbstbehalts ohnehin unter der Summe der auf die Hälfte verminderten Beiträge des Basistarifs). Allerdings bleibt abzuwarten, ob der Selbstbehalt überhaupt zum Tragen kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

Reichen erstmal die Urteile?

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Beitragvon technomancer » 17.04.2010, 21:34

aehem, Vergil09owl, was möchtest Du mit diesen drei Urteilsbegründungen denn nun sagen ? Als Nicht-Jurist liest sich das ja immer etwas schwer...

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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 21:42

Soll sagen wie Rossi immer soschön sagt das das die ARGe wohl zahlen muss, allerdings nur denn wenn ein entsprechender Widerspruch mit den entsprechenden Urteilen begründet wird.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 17.04.2010, 21:56

Nun denn Vergil09owl,

die ARGE wird wohl kaum immer löhnen müssen.

Die Rechtsprechung, die Du hier eingestellt hast, ist mir natürlich mehr als bekannt bzw. habe ich diese in diesem Thread schon eingestellt.

Die Beschlüsse der Sozialgerichte besagen erst einmal nicht viel. Teilweise wurden sie nämlich durch die LSG`s wieder übern haufen geworfen.

Und wenn Du schon mal den Beschluss des LSG Hessen hier einstellst, dann solltest Du vielleicht auch den Beschluss des anderen Senat´s des LSG Hessen hier einstellen. Denn der andere Senat meiert ab. In Ba.-Wü. ist es genauso. Der eine Senat verdonnert, der andere meiert ab. Also kommt es immer darauf an, welchen Senat man bei der einstweiligen Anordnung erwischt.

Die Senate, die abmeiern, sehen in erster Linie keinen Anordnungsgrund für das Schnellverfahren. Richtig intensiv mit der gesamten Problematik haben die sich nicht beschäftigt, aber müssen sie auch nicht (da Schnellverfahren).

Wenn ich insgesamt die Beschlüsse der bisherigen LSG´s betrachte, dann wird überwiegend abgemeiert.

Die Agentur verweist auch noch klipp und klar in den Hinweisen, dass eine hälftige Übernahme im Basistarif nicht möglich ist.

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Beitragvon Vergil09owl » 17.04.2010, 22:24

Gut das heißt denn ja das es denn§ 5 Abs. 5a SGB V bleibt und das Die ARGEN, JobCenter nur denn tatsächlich nur den Betrag von roud about 140 € zahlen müssen, das wprde heißen, keine PKV keine GKV , sondern nur Schulden

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Beitragvon hungerhaken » 26.04.2010, 19:39

Hier ein neues Urteil, dass bereits auf der Entscheidung des BVerfG basiert:

SG Chemnitz , Beschluss vom 09.03.2010 ,- S 3 AS 462/10 ER -

Beträge für private Kranken- und Pflegeversicherungen bei privat Versicherten, die nicht vom SGB II – Träger übernommen werden , sind aufgrund des Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09) vollständig zu übernehmen .

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Beitragvon hungerhaken » 26.04.2010, 22:53

Neues von der Pflegeversicherungsfront:

Das Landesverwaltungsamt Halle, zuständig für das gesamte Bundesland Sachsen-Anhalt, hat eine Vielzahl von OwiG- Verfahren.

diese werden eingeleitet, wenn der Pflegeversicherte mit seinen Beiträgen sechs Monate im Verzug ist. Meldepflichtig ist der Versicherer gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 SBG XI.

Der Tatbestand (sechs nicht bezahlte Moantsbeiträge) stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI dar. "Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig..........mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pfelgeversicherung in Verzug gerät."

Bei Sozialhilfeempfängern ist die Tatsache, dass die Differenz zwischen dem Beitrag des Sozialhilfeträgers zur Pflegeversicherung (17,11 €) und dem hälftigen Beitrag im Basistarif (rd. 33 €) aus dem Regelsatz nicht aufgebracht werden kann, keine Entschuldigung.

Kann das Bußgeld -zwischen 150 € beim Erstverstoß bis 2.500 € bei Wiederholgungstätern- nicht bezahlt werden, wird vom Landesverwaltungsamt beim Amtsgericht Erzwingungshaft beantragt.

Die Haft befreit jedoch nicht von der Verpflichtung zur Bezahlung des Bußgeldes und schon gar nicht von der Schuld gegenüber dem Versicherer.

Unglaublich, aber wahr!

S.B.
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Beitragvon S.B. » 27.04.2010, 17:14

Wie ist eigentlich der aktuelle Stand der Gesetzgebung? Wollte der Gesetzgeber nicht (ggf. auch rückwirkend) eine Lösung finden und sollte die nach einem Entwurf nicht auch so aussehen (allerdings nach dem mir bekannten Entwurf nicht rückwirkend), dass die Beträge, die nach § 12 Abs. 1c S. 6 VAG zu zahlen sind, auch die Beiträge sind, die die private Versicherung fordern kann?

Rossi
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Beitragvon Rossi » 27.04.2010, 20:29

Hm, Hungerhaken?

Hast Du die Entscheidung in Textform?

Ist es ein Urteil oder ein Beschluss?

Der Tatbestand (sechs nicht bezahlte Moantsbeiträge) stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI dar. "Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig..........mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pfelgeversicherung in Verzug gerät."

Bei Sozialhilfeempfängern ist die Tatsache, dass die Differenz zwischen dem Beitrag des Sozialhilfeträgers zur Pflegeversicherung (17,11 €) und dem hälftigen Beitrag im Basistarif (rd. 33 €) aus dem Regelsatz nicht aufgebracht werden kann, keine Entschuldigung.

Kann das Bußgeld -zwischen 150 € beim Erstverstoß bis 2.500 € bei Wiederholgungstätern- nicht bezahlt werden, wird vom Landesverwaltungsamt beim Amtsgericht Erzwingungshaft beantragt.



Also, jenes würde ich jetzt durchziehen und definitiv nicht von der Sozialhilfe den Rest finanzieren.

Lasse Dich am besten verhaften und lade zum Haftantritt alle Medien ein, am besten noch Mitglieder des Petitionsausschuss und die verantwortlichen Referenten aus dem Ministerium!


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