GKV, hohe Nachzahlung etc...

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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martin0815
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GKV, hohe Nachzahlung etc...

Beitragvon martin0815 » 16.07.2012, 17:13

Hallo,

also folgendes, ich bin seit Mitte 2004 selbstständig und war am Anfang auch freiwillig in der GKV versichert, nachdem ich ein paar Beiträge nicht zahlen konnte haben die mich 2005 oder so rausgeworfen.

jetzt hatte ich mich im März 2012, gemeldet wegen der Pflichtversicherung, und es kam ein Beitragsbescheid mit einer Forderung von ca 22.000 €... Beiträge seit 4/2007

Ich sofort eine Ratenzahlung ( 500 € ) beantragt und auch bewilligt bekommen, aber gegen den beitragsbescheid selber erstmal widerspruch eingelegt....

jetzt habe ich einen neuen Beitragsbescheid erhalten, diesmal über 20.000 €, wovon aber etwas über 3.000 € aus Säumniszuschläge bestehen. Meiner Meinung nach sind die unbegründet, eben weil es ja ein Ratenzahlungsabkommen gibt... man sagte mir jetzt am telefon das ich nach Abzahlung der Beiträge einen Antrag auf Erlassung der Säumniszuschläge stellen könne, ob dem dann stattgegeben wird konnte man mir aber nicht sagen...

Das ich jetzt etwas nachzahlen muss, ist mir schon klar, aber jetzt so viel ist mir eigentlich zu viel... welche Möglichkeiten habe ich jetzt? Die wollen jetzt von mir etwas schriftlich haben, also eine Begründung warum der säumniszuschlag unbegründet sei, zusätzlich würde ich denen aber auch weitere Möglichkeiten aufzählen das die von mir weniger fordern können, wenn sie wollen... bisher heist es immer das geht nicht, weil gesetzlich vorgeschrieben....

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Beitragvon Rossi » 16.07.2012, 18:43

Nun ja, ich denke mal, dass Du nicht nur eine Ratenzahlung vereinbarst hast, sondern auch eine Stundung des gesamten Betrages.

Bei einer Stundung wird die Forderung der Beiträge vorerst ausgesetzt. Hier kann die Kasse nicht die sonst üblichen Säumniszuschläge erheben, sondern in der Regel 0,5 % pro Monat.

Wie sieht es aus, warum hast Du gem. § 186 Abs. 11 SGB V nicht die Ermäßigung der nachzuzahlenden Beiträge beantragt? Von der Systemabgrenzung gehören doch Selbständige eher in die PKV. Da liegen doch gute Gründe vor, erst Recht wenn Du rückwirkend keine Leistungen in Anspruch genommen hast.

Guckst Du hier:

http://vs-24.com/forum/viewtopic.php?t=2564&highlight=

Sabine war auch selbständig und und hat einen mega Nachzahlungsbescheid von der Kasse bekommen.

Sie hat sich aber dagegen gewehrt und der Großteil der Forderung wurde erlassen.

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Beitragvon martin0815 » 17.07.2012, 11:00

Ah, gut, dann werde ich mal die Ermäßigung nach § 186 Abs. 11 SGB V beantragen... ich werde dann bescheid geben wie die Kasse reagiert...

danke schonmal...

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Beitragvon Rossi » 17.07.2012, 22:00

Na ja, so einfach wird es leider nicht werden.


Sabine hat hier alles mögliche erlebt!


Du musst Kampfgeist besitzen, sonst funktioniert es nicht!

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Beitragvon martin0815 » 19.07.2012, 08:09

nun, ich bin seit Jahren selbstständig, und es war nicht immer einfach, musste also schon diverse Male kämpfen.... gut, das kann jetzt dann ggf ein paar Monate dauern, aber dann muss es halt sein... habe auch schon über einen geschäftlichen/persönlichen Kontakt ein Angebot aus einer Redaktion einer größeren Zeitung erhalten das die gerne über den Fall berichten würden um eben medialen Druck zu erzeugen, die kämpfen wohl gerne mal für ihre Leser.... ansonsten gibts auch wohl bei den privaten und öffentlich rechtlichen TV Sendern diverse Formate die solche Themen mal gerne aufgreifen und über Einzelschicksale berichten...
aber jetzt gehen dann erstmal ein paar Briefe hin- und her, damit ich etwas schriftliches habe...

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Beitragvon martin0815 » 19.07.2012, 08:23

ich habe gerade in einem anderen Thread gelesen das die Beitragsansprüche für 2007 verjährt sind? Hast du da Details zu? Würde meinen Fall ja auch betreffen, alleine für 2007 berechnen die mir ja etwas über 2.600 € an Nachzahlung...

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Beitragvon Rossi » 19.07.2012, 17:58

Die Verjährung tritt kraft Gesetz ein und ist in § 25 SGB IV geregelt.

Zitat:
(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

Somit sind alle Beitragsansprüche bis zum 30.11.2007 verjährt.

Der Beitragsanspruch für Dezember 2007 ist noch nicht verjährt, da dieser am 15.01.2008 fällig war.

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Beitragvon martin0815 » 20.07.2012, 10:57

cool... ich werde dann mal auch auffordern zu prüfen ob die Beiträge für 2007 nicht schon verjährt sind...

einen Vorsatz gibt es ja nicht....

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Beitragvon martin0815 » 15.09.2012, 15:29

Habe gerade Antwort auf meine Anträge erhalten, wie erwartet alles abgelehnt.... bzw. das mit dem Säumniszuschlag wird noch geprüft.

Die Begründungen sind irgendwie teilweise recht lustig, strotzen vor halbwahrheiten und teilweise vollkommen sinnfrei....

bei der Verjährung wird jetzt nicht mehr von Fälligkeit gesprochen, sondern vom Zeitpunkt an dem sie entstanden sind, mit bezug auf §45 Absatz 1 SGB I, und so wird vom Zeitpunkt des Beitragsbescheides ausgegangen... gibts da urteile/gesetzestexte etc mit denen ich das widerlegen kann?

Unkenntnis ist als Grund, den ich nicht zu vertreten habe, total abgelehnt worden. Und auch ein Beitragsrecht zur freiwilligen Versicherung zum Zeitpunkt der Versicherungspflicht wird als gegeben angesehen, obwohl dies faktisch im nachstehenden Absatz widerlegt wird, dort ist die Antragsfrist von 3 Monaten nach Beendigung einer Pflichtversicherung genannt worden, die bei mir ja absolut nicht zutrifft.

Auf welche Urteile kann ich da jetzt hinweisen?

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Beitragvon Czauderna » 15.09.2012, 17:17

martin0815 hat geschrieben:Habe gerade Antwort auf meine Anträge erhalten, wie erwartet alles abgelehnt.... bzw. das mit dem Säumniszuschlag wird noch geprüft.

Die Begründungen sind irgendwie teilweise recht lustig, strotzen vor halbwahrheiten und teilweise vollkommen sinnfrei....

bei der Verjährung wird jetzt nicht mehr von Fälligkeit gesprochen, sondern vom Zeitpunkt an dem sie entstanden sind, mit bezug auf §45 Absatz 1 SGB I, und so wird vom Zeitpunkt des Beitragsbescheides ausgegangen... gibts da urteile/gesetzestexte etc mit denen ich das widerlegen kann?

Unkenntnis ist als Grund, den ich nicht zu vertreten habe, total abgelehnt worden. Und auch ein Beitragsrecht zur freiwilligen Versicherung zum Zeitpunkt der Versicherungspflicht wird als gegeben angesehen, obwohl dies faktisch im nachstehenden Absatz widerlegt wird, dort ist die Antragsfrist von 3 Monaten nach Beendigung einer Pflichtversicherung genannt worden, die bei mir ja absolut nicht zutrifft.

Auf welche Urteile kann ich da jetzt hinweisen?



#Hallo,
wenn du etwas weiter oben schaust, da hat dir Rossi den § 25 SGB IV.
genannt - der ist klar und eindeutig - da ist es wirklich interessant, wie die Kasse das rechtlich begründen will, dass die Verjährungsfrist erst mit Bekanntgabe bzw. Übersendung des Beitragsbescheides beginnt.
Die Verjährung der Beiträge bis November 2007 ist am 31.12. 2011 eingetreten -.
Allerdings gibt es eine Hemmung/Unterbrechung der Verjährung - steht im BGB. - ob das bei dir zutrifft, das weiß ich nicht.
Gruss
Czauderna

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Beitragvon Rossi » 15.09.2012, 18:17

Nun ja, sehr kreativ die Kasse.

Vor allen Dingen der Verweis seitens der Kasse auf § 45 Abs. 1 SGB I.

Dies allein zeigt für mich, dass Du bei diesem Kassenmitarbeiter, der dies verzapft hat, nicht auf einen Fachmann gestossen bist.

Ich kann mich selbstverständlich auf das allgemeine Recht (SGB I) berufen, denn dies gilt für alle Sozialleistungsgsträger.

Aber im Verwaltungsrecht gibt es den sog. Grundsatz, dass eine spezialgesetzliche Bestimmung immer den Vorrang vor einer allgemeinen geseztlichen Bestimmung hat. Dies nennt man lex specialis vor lex generalis.

Jetzt müssen wir gucken, ob es eine spezialgesetzliche Bestimmung für die Kassen gibt.

Und meines Erachtens gibt es diese sehrwohl.

Wir finden Sie in § 22 un d 23 SGB IV.

§ 22 Entstehen der Beitragsansprüche, Zusammentreffen mehrerer Versicherungsverhältnisse

(1) Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.


Wenn die Kasse hier die Mitgliedschaft ab 2007 einträgt, dann müssen doch wohl zwangsläufig die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen erfüllt sein. Ansonsten beißt sich die Katze in den Schwanz, bzw. müsste die Kasse die Mitgliedschaft erst ab dem Tag eintragen, wo Du dich bei der Kasse gemeldet hast.

So, dann geht es weiter. Jetzt müssen wir gucken, wann der Beitragsanspruch fällig ist, denn die Verjährung orientiert sich nach der Fälligkeit und nicht nach dem Datum der Bescheiderteilung.

Auch hierzu werden wir wieder in dem Spezialgesetz (SGB IV) fündig.

Wir landen bei § 23 SGB IV.

§ 23 Fälligkeit

(1) Laufende Beiträge, die geschuldet werden, werden entsprechend den Regelungen der Satzung der Krankenkasse und den Entscheidungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen fällig.


Da die Mitgliedschaft hier rückwirkend offensichtlich entstanden ist, schuldest Du den Beitrag der Krankenkasse nach dem jeweiligen Fälligkeitsdatum aufgrund der Satzungsregelung. In der Regel ist es der 15. des Folgemonats. Also hier irgendwann in 2007.

Alles anders ist meines Erachtens auch völliger Schwachsinn. Denn der Gesetzgeber hat an solche Fälle, in denen Beiträge per Bescheid rückwirkend erhoben wird, auch gedacht.

Wir werden hier in § 24 Abs. 2 SGB IV fündig.

(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.


Einen Säumiszuschlag kann man nur dann erheben, wenn der Beitrag fällig ist. Für solche Fälle, in denen die Beiträge rückwirkend per Bescheid (ist doch genau bei Dir so) erhoben werden, werden die Säumniszuschläge nur unter bestimmten Voraussetzungen erhoben.

Aus der gesamten Logik bleibt keine andere Entscheidung übrig, dass hier immer das sog. Entstehungsprinzip gilt. Dein Beitragsanspruch ist in 2007 entstanden und somit aufgrund der Satzungsregelung auch fällig gewesen.

Aufgrund der Verjährungsvorschriften ist der Beitragsanspruch allerdings verjährt.

Hierzu gibt es keine Rechtsprechung, weil offensichtlich noch keine Kasse mit diesem innovativen und kreativen Gedankenansatz, um die Ecke gekommen ist.

Die meisten Kassen kennen das SGB IV; Deine Kasse wohl nicht.

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Beitragvon martin0815 » 31.10.2012, 17:28

habe nu die neue Antwort von der GKV:

"Die rechtlichen Bestimmungen lassen keine andere Beurteilung zu"

also garnicht weiter auf meine, bzw. ja eigentlich eure, Ausführungen eingegangen....

Nu werde ich mal einen Anwalt einschalten müssen....

Rossi
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Beitragvon Rossi » 31.10.2012, 18:28

Tja, so etwas kann dann wohl passieren.

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Beitragvon Vergil09owl » 01.11.2012, 10:02

Stimmt nicht so ganz rossi da gibt es bereits 4 Entscheidungen zu, Beginnden 1899 bis 1996 BSG Urteil v. 17.12.1964 RK 65/ 62 BSGE 22 S 173 und vom 20.12.1966 3 RK 65/ 62 USK 66109 sowie RVA Nr 845 v. 13.07.1899 amtl. Nachrichten 1900 828 . Demnach dürfen Krankenkassen nicht Beiträge rückwirkend fordern wenn diese nicht absichtlich hinterzogen wurden. Figge/Jansen in Haufe SGB Online zu § 25 SGB IV Stand 15.12.2010

Laut BSG Urteil v. 25.10.1990 12RK 27/89 hat das BSG gesagt das die Verjährungsfristen von Amtswegen zu beachten sind.

Figge/Jansen in Haufe SGB Online zu § 25 SGB IV Stand 15.12.2010

Explezit wurde dies auch nochmal durch das BSG Urteil 13.08.1996 Bestätigt RK 12RK76/94 dies auch nochtmal in Bezug auf die RV Beiträge bestätigt

Und im GR v. 01.01.1996 zum KSVG Pkt 11.9.3 steht denn Explezit das die Beiträge die der Versicherte zu tragen im Sinne von § 25 SGB IV in Vier Jahren nach Ablauf der Fälligkeit verjähren.

§ 45 SGB I betrifft die Sozialleistungen, Krankengeld usw, da ja hier nu mal denn keine Sozilaleistungen in anspruch genommen worden sind und ein kongludentes Handeln im Sinne des BGB zu ersehen ist, kommt § 45 SGB I auch nicht zum Tragen. Der Anspruch auf Sozialeitungen verjährt ebenfalls nach vier Jahren Analog zu § 25 SGB IV

Ich hoffe ich konnt helfen.

Grus
jochen

Rossi
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Beitragvon Rossi » 01.11.2012, 22:20

Nun ja, ich habe Dein Posting zunächst einmal nicht richtig verstanden.

Aber ich denke, dass wir uns einig sind, dass die Kasse hier zuächst einmal eine völlig falsche Rechtsgrundlage (§ 45 SGB I) in den Ring geworfen hat.

Es gilt im Beitragsrecht einzig und allein das SGB IV und nicht das SGB I. Das SGB I ist bei der Bescheidtechnik zu berücksichtigen, nicht aber bei der Verjährung von Beitragsansprüchen.

Aber vermutlich hat die Kasse martin0815 mitgeteilt, dass alles richtig ist.


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