§186 (11) SGB V Versicherungspflicht/angemessene Reduzierung

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Gast 2009

Beitragvon Gast 2009 » 28.11.2009, 18:08

ratte1 hat geschrieben:gerecht jedoch finde ich es nicht, dass man Menschen die sich besser informieren, schlechter stellt als uninformierte


Die können ja auch klagen, was ich begrüßen würde. Seit wann sind die Zwecke von Gesetzen und damit die Gesetze gerecht?

Sabrina99

Beitragvon Sabrina99 » 28.11.2009, 18:52

ratte1 hat geschrieben:...gerecht jedoch finde ich es nicht, dass man Menschen die sich besser informieren, schlechter stellt als uninformierte (oder solche die sich dafür ausgeben). Schließlich müssen die anderen Kassenmitglieder ihre Bieträge immer zahlen und letztendlich für die Zweitgenannten aufkommen. Denn Fakt ist ja wohl, dass dann, wenn hohe Kosten auf die bisher noch nicht Zurückgekehrten zukommen (z.B. eine Krankenhausbehandlung), sie sehr gut über ihre Rechte informiert sind...

Für mich ist zum Beispiel überhaupt nicht gerecht, dass die Solidargemeinschaft die Folgen exzessiven Rauchens oder Alkoholgenusses über die Krankenversicherungsbeiträge mitfinanzieren muß.

Es ist auch nicht gerecht, dass die Gemeinschaft die Krankheitsrisiken übergewichtiger Menschen mittragen muß. Wer sich die Freiheit nimmt, Genußgifte im Übermaß zu konsumieren oder meint, gewichtsmäßig den "Wildecker Herzbuben" nacheifern zu müssen, soll auch gefälligst die Konsequenzen in Form erheblich höherer Krankenkassenbeiträge tragen!

In der Logik von "ratte1" ist die GKV also Lichtjahre von "Gerechtigkeit" entfernt!

Czauderna
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Beitragvon Czauderna » 28.11.2009, 19:47

Sabrina99 hat geschrieben:
ratte1 hat geschrieben:...gerecht jedoch finde ich es nicht, dass man Menschen die sich besser informieren, schlechter stellt als uninformierte (oder solche die sich dafür ausgeben). Schließlich müssen die anderen Kassenmitglieder ihre Bieträge immer zahlen und letztendlich für die Zweitgenannten aufkommen. Denn Fakt ist ja wohl, dass dann, wenn hohe Kosten auf die bisher noch nicht Zurückgekehrten zukommen (z.B. eine Krankenhausbehandlung), sie sehr gut über ihre Rechte informiert sind...

Für mich ist zum Beispiel überhaupt nicht gerecht, dass die Solidargemeinschaft die Folgen exzessiven Rauchens oder Alkoholgenusses über die Krankenversicherungsbeiträge mitfinanzieren muß.

Es ist auch nicht gerecht, dass die Gemeinschaft die Krankheitsrisiken übergewichtiger Menschen mittragen muß. Wer sich die Freiheit nimmt, Genußgifte im Übermaß zu konsumieren oder meint, gewichtsmäßig den "Wildecker Herzbuben" nacheifern zu müssen, soll auch gefälligst die Konsequenzen in Form erheblich höherer Krankenkassenbeiträge tragen!

In der Logik von "ratte1" ist die GKV also Lichtjahre von "Gerechtigkeit" entfernt!


Hallo,
das mag sein, aber "wir" sind auf dem Wege dahin, so werden zukünftig Versicherte nicht mehr als "chronisch" krank anerkannt wenn nicht bestimmte Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden oder wurden.
Es gibt auch tatsächlich schon Bestrebungen "Eigenanteile" bei der Behandlung von Erkrankungen aufgrund Alkohol oder Nikotinmissbrauchs
einzuführen oder auch wenn jemand ein Extremsportart ausübt und dabei zu Schaden kommt.
Wenn die Gesellschaft, also wir alle das alles so wollen, dann werden die Politiker da sicher mitmachen und die Zusatzversicherungen sich extrem freuen.
Ob das allerdings in nächster Zeit so kommt bleibt abzuwarten.
Gruß
Czauderna

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Beitragvon Vergil09owl » 28.11.2009, 19:58

Kinders nicht weiter ärgern, dennächst gibt es ja die Gesundheitsprämie und alles wird gut.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 28.11.2009, 20:34

Danke Günter, dass Du als Kassenmitarbeiter offenischtlich meine bescheidene Auffassung teilst.

@ratte
Ich persönlich tendiere nicht dazu, dass gar keine Nachzahlungspflicht besteht. Jenes wiederläuft auch meinen Empfindungen einer Solidargemeinschaft, der ich sogar auch angehöre.

Von daher geht meine Tendenz klipp und klar dahin, zumindest den sog. Anwartschaftsbeitrag nachzuzahlen.

Der volle Beitrag ist stets zu zahlen, wenn die Kunden ausführlich über die Versicherungspflicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V von der Kasse belehrt wurden, sie aber nicht sofort den Anzeigebogen bei der Kasse einreichen, sondern erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Denn schliesslich haben die Kasse, sowie andere Leistungsträger, einen gesetzlichen besonderen Auftrag.

Dieser besteht nämlich darin, dass die Leistungsträger verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären. Jenes ergibt sich explizit aus § 14 SGB I.

Die Kassen sehen es derzeit wohl noch so, dass dieser Beratungsauftrag durch die Veröffentlichung im BGBL erfolgt ist.

Für mich ist die Klamotte derzeit mehr als überzeugend; die Kassen werden vermutlich hiermit nicht oben bleiben.

Das Dumme daran ist doch, dass jede Kasse selber für sich in der Satzung zu entscheiden hat, wie sie offensichtlich mit dem Beratungsauftrag umgeht. Denn diese Nachzahlungspflicht wird nicht einheitlich vom Spitzenverband Bund geregelt.

Also, wenn ich jetzt mal auf der anderen Seite sitzen würde, nämlich als Kassenmitarbeiter, würde ich defintiv die BSG - Entscheidung aus dem SGB III analog anwenden. Ich wüßte derzeit keinen expliziten Grund, davon abzuweichen.

Na ja, dann wird es vermutlich Kassen geben, die es gerne schwarz auf weiß von den Sozialgerichten bestätigt haben wollen. Kostet aber nur Geld für die Anwälte, mehr nicht!

Gast 2009

Beitragvon Gast 2009 » 28.11.2009, 20:50

> wenn die Kunden ausführlich über die Versicherungspflicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V von der Kasse belehrt wurden

Bisher konnte mir noch niemand erklären, was der Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sein soll. Da steht nichts von allg. Versicherungspflicht sondern von Absicherung im Krankheitsfall. Wenn mir also einer zuerst und nur mit Versicherungspflicht kommt, dann hat der offensichtlich den Sinn des Gesetzes selbst nicht verstanden.

Sabrina99

Beitragvon Sabrina99 » 28.11.2009, 21:25

Gast 2009 hat geschrieben:Wenn mir also einer zuerst und nur mit Versicherungspflicht kommt, dann hat der offensichtlich den Sinn des Gesetzes selbst nicht verstanden.

Du sollst zahlen, ohne nachzudenken und ohne Wenn und Aber...

In Zeiten, wo durch Mißwirtschaft die Kassen leer sind, muß dringend frisches Geld her. Und wenn das nicht mit Wettbewerb und nach marktwirtschaftlichen Regeln geschehen kann, helfen eben die guten, alten Zwangsmaßnahmen weiter...

So sieht also die "neue" Solidarität aus: die wirtschaftlichen Fehlentscheidungen anderer hat gefälligst der einzelne finanziell zu schultern, wenn es sein muß bis hin zur persönlichen Pleite!

Die GKVen hadern nicht nur mit diesen Gesetzen und der eigenen Satzung, nein, sie benötigen im konkreten Zweifelsfall eine für die (ungefragte) Solidargemeinschaft sündhaft teure Armee von externen Anwälten, um ein wenig Licht in das eigene Chaos zu bringen (Fall Sabine).

Und die Mißstände gehen munter weiter: von den GKVen wird das Geld der Beitragzahler ohne gesetzlichen Auftrag (!) für alle möglichen sachfremden Dinge zum Fenster rausgeschmissen, ohne das dafür bislang jemand rechtskräftig verurteilt wurde.

Im SPIEGEL stand unlängst zu lesen, dass die Kassen aktuell dabei sind, gemeinschaftlich mit den Ärzten den Gesundheitsfond zu "plündern", wozu die GKVen eigens Mitarbeiter zu den Ärzten senden, um diese entsprechend zu "briefen"...

Sieht so etwa die von "ratte1" eingeforderte Gerechtigkeit aus?
Wohl kaum!

Sieht für mich eher nach Filz und Kumpanei zum Nachteil der Ver(un)sicherten aus...
Zuletzt geändert von Sabrina99 am 28.11.2009, 22:24, insgesamt 1-mal geändert.

ratte1
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Beitragvon ratte1 » 28.11.2009, 22:23

Czauderna hat geschrieben:
ratte1 hat geschrieben:Hallo Rossi,

Deine wirklich gut begründeten Aussagen hier im Forum schätze ich von allem am meisten.

Im Fall der Beitragsermässigung mag Deine Meinung sich vllt. bei Gericht durchsetzen, gerecht jedoch finde ich es nicht, dass man Menschen die sich besser informieren, schlechter stellt als uninformierte (oder solche die sich dafür ausgeben). Schließlich müssen die anderen Kassenmitglieder ihre Bieträge immer zahlen und letztendlich für die Zweitgenannten aufkommen. Denn Fakt ist ja wohl, dass dann, wenn hohe Kosten auf die bisher noch nicht Zurückgekehrten zukommen (z.B. eine Krankenhausbehandlung), sie sehr gut über ihre Rechte informiert sind...

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis wir Gewissheit erhalten, wann und in welchem Umfang Beiträge zu ermäßigen sind.

MfG

ratte1



Hallo Ratte1,
ich weiß nicht, ob dich das interessiert, aber diesen Beitrag unterschreibe ich zu 100%.
Gruß
Czauderna
Danke für Dein Feeback.

MfG
ratte1

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Beitragvon Rossi » 28.11.2009, 23:12

Leute, sorry, wir kommen hier vom Thema ab.

Es geht hier nicht um Sinn und der Zweck der Versicherungspflicht in der GKV, sondern einzig und allein darum, wie wehre ich mich gegen die Nachzahlungspflicht der vollen Beiträge.

Und genau dort ist der Ansatzpunkt.

Der Gesetzgeber hat den Kassen einen Auftrag an die Hand gegeben, in den Fällen, wo der Versicherte es nicht zu vertreten hat, etwas bestimmtes zu regeln.

Die Kassen sehen es derzeit wohl völlig gelassen, dass es vermutlich keinen Grund geben kann, von der Nachzahlungspflicht abzusehen bzw. diese zu mildern.

Hierüber sollten wir diskutieren und nicht ob die Versicherungspflicht einen Sinn macht. Jenes ist ein anderes Thema.

Ich vergleiche es nochmals mit der BSG-Entscheidung hinsichtlich der verspäteten Arbeitslosmeldung.

Der damalige Gesetzestext war mehr als eindeutig, die Kunden hatten sich unververzüglich zu melden.

Wenn ich dann die Vorschrift mit § 186 Abs. 11 SGB V und der Satzungsautonomie vergleiche, dann gibt es dort schon wesentliche Unterschiede.

Während die damalige unverzügliche Meldepflicht nicht davon abhängig war, ob der Arbeitslose es zu vertreten hatte, ist dieses aber bei der Ermittlung des nachzuzahlenden Beitrages abhängig.

Die Vorschriften des § 186 Abs. 11 SGB V sind wesentlich weicher und grosszügiger als die damalige Meldeverpflichtung. Und dennoch ist man den Bach hinunter gegangen.

Ich wünschen den Kassen viel Erfolg für diesen gewagten Weg, der leider letztendlich wieder einmal auf den Rücken der Kunden ausgetragen wird!

@Ratte1
Ich schätze Deine Beiträge hier auch. Aber ich versuche mal eine Interpretation deiner Persönlichkeit zu machen. Du bist vermutlich noch jung, bist sehr ehrgeizig und engagierst Dich auch nach Feierabend. Herzlichen Dank.

Dann kommt das aber! Ich war früher genauso! Wenn ich gewisse Sachverhalte nicht schwarz auf weiss hatte, dann kam der sog. Tunnelblick. Ich wollte nicht nach links oder rechts schauen, weil ich dafür persönlich kein Verständnis hatte. Warum auch immer.

Heute denke ich definitiv anders. Für mich steht in erster Linie der Kunde im Vordergrund. Dieser hat ein Anspruch auf Beratung und Aufklärung und wenn ich diesem Auftrag nicht nachkommen, dann schalte ich diesen Tunnelblick aus. Ferner gibt es den sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Dieser gibt den schutzbedürftigen Sozialleistungsermpfängern sogar die Möglichkeit, Fristen zu umgehen. Es geht insgesamt um die Schutzbedürftigkeit der Bürger in dem sozialen Sicherungssystem und nicht um den Grundsatz mit einer Kanone auf einen Spatzen zu schießen!



Bei der Nachzahlungspflicht im Sinne von § 186 Abs. 11 SGB V ist es nicht anders. Ich unterstelle dem Kunden niemals, er hätte es wissen müßen, wenn ich ihn vorher nicht darauf hingewiesen habe.


So und nicht anders verstehe ich die o. a. eingestellte BSG-Rechtsprechung.

Und dafür stelle ich meinen Tunnelblick definitiv aus!

Na ja, ist nur meine Methode, aber ich kann damit leben!

Sabine ist von dieser Klamotte voll betroffen. Und wisst ihr was, ich werde sie volle Kanne mit meinem bescheidenem Wissen unterstützen. Ich habe derzeit ein gutes Gefühl und werde es durchziehen.

Sabrina99

Beitragvon Sabrina99 » 28.11.2009, 23:26

Rossi hat geschrieben:Sabine ist von dieser Klamotte voll betroffen. Und wisst ihr was, ich werde sie volle Kanne mit meinem bescheidenem Wissen unterstützen. Ich habe derzeit ein gutes Gefühl und werde es durchziehen.

Hey, Rossi, finde ich toll von Dir!
Ich drücke euch beiden die Daumen damit ihr das hinbekommt!

Rossi
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Beitragvon Rossi » 28.11.2009, 23:29

Wir kriegen das hin, ich bin sehr zuversichtlich.

Gast 2009

Beitragvon Gast 2009 » 29.11.2009, 00:49

Rossi hat geschrieben:
Es geht hier nicht um Sinn und der Zweck der Versicherungspflicht in der GKV, sondern einzig und allein darum, wie wehre ich mich gegen die Nachzahlungspflicht der vollen Beiträge.


Wenn de facto juristisch keine Versicherungspflicht in der GKV besteht sondern nur eine Absicherung gefordert wird, dann besteht auch nicht automatisch eine Nachzahlungspflicht.

Gast 2009

Beitragvon Gast 2009 » 29.11.2009, 00:50

Rossi hat geschrieben:Wir kriegen das hin, ich bin sehr zuversichtlich.


Schon wegen dem Gleichheitsgrundsatz.

ratte1
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Beitragvon ratte1 » 29.11.2009, 09:03

[quote="Rossi"]@Ratte1
Ich schätze Deine Beiträge hier auch. Aber ich versuche mal eine Interpretation deiner Persönlichkeit zu machen. Du bist vermutlich noch jung, bist sehr ehrgeizig ..quote]Nun ist jung sicher eine Frage der Interpretion, aber ich würde mich eher als mittelalt bezeichnen. Wenn Du das "sehr" vor dem ehrgeizig streichst, würde es die Sache besser treffen. Mit den Einschätzungen ist es eben so eine Sache. Genauso wie den Tunnelblick, den mein Umfeld nun gewiss nicht bei mir sehen würde.

Lassen wir es doch einfach dabei, dass wir hier unterschiedlicher Meinung sind.

MfG
ratte1

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Beitragvon Czauderna » 29.11.2009, 10:51

Rossi hat geschrieben:Wir kriegen das hin, ich bin sehr zuversichtlich.


Hi Rossi,
bei jedem anderen würde ich das für Humbug halten - bei dir nicht !!!
Aber, wie willst du in einem Fall der bereits bei Gericht vorliegt noch etwas verändern, arbeitest Du mit dem Rechtsanwalt zusammen ??
Das hat jetzt nur bedingt etwas mit Neugier zu tun - nichts mit dem Fall direkt.
Wie geht das, das eine dritte Person in einem laufenden Klageverfahren
eingreifen kann oder bist deine "Tätigkeit" nur auf Hinweise beschränkt, die
dann bei der Verhandlung vom RA. oder der Klägerinvorgetragen werden.
Gruß
Czauderna


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